Politik Neue SPD-Parteichefin Nahles startet mit schwerem Dämpfer

Wird beklatscht: die neue SPD-Parteichefin Andrea Nahles, die in der Eifel zu Hause ist.
Wird beklatscht: die neue SPD-Parteichefin Andrea Nahles, die in der Eifel zu Hause ist.

«Wiesbaden.» Mit dem zweitschlechtesten Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte der SPD ist Andrea Nahles gestern in Wiesbaden zur ersten Frau an die Spitze der Partei gewählt worden. Die 47-jährige Fraktionsvorsitzende erhielt auf dem Sonderparteitag 66,35 Prozent der Stimmen. Ihre Gegenkandidatin, die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange, erreichte knapp 27,6 Prozent. Sie dürfte vor allem Stimmen von Gegnern einer großen Koalition errungen haben. Die SPD hatte sich gegen große innerparteiliche Widerstände zu einem weiteren Bündnis mit der Union in der Bundesregierung durchgerungen, für das Nahles massiv geworben hatte. Nur Oskar Lafontaine fuhr bei seiner Wahl zum SPD-Parteichef 1995 ein schlechteres Ergebnis als jetzt Nahles ein. Auch vor 23 Jahren stellten sich mit Lafontaine und Rudolf Scharping zwei Personen zur Wahl um den Parteivorsitz. Nahles folgt an der Parteispitze auf Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der die SPD für zwei Monate kommissarisch führte. Zuvor war Martin Schulz, gescheiterter SPD-Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf, von diesem Amt zurückgetreten. Nahles zeigte sich in Wiesbaden zuversichtlich, dass sie die Partei aus ihrer historischen Krise führen kann: „Es wird uns gelingen, Leute. Gemeinsam sind wir stark. Wir packen das. Das ist mein Versprechen.“ In ihrer kämpferischen Rede vor den gut 600 Delegierten warb sie dafür, stärker auf das Prinzip der Solidarität zu setzen. Nahles räumte ein, die SPD habe im Wahlkampf mehr Gerechtigkeit gefordert, aber nicht gesagt, wie sie diese erreichen wolle. Nahles warnte mit Blick auf eine „solidarische Arbeitsgesellschaft“ vor vorschnellen Schlüssen. „Wenn wir sagen, wir schaffen Hartz IV ab oder wickeln die Agenda 2010 ab, haben wir noch keine einzige Frage beantwortet.“ Die Rheinland-Pfälzerin betonte: „Man kann eine Partei in der Regierung erneuern. Diesen Beweis will ich ab morgen antreten.“ Seit Franz Müntefering in den Jahren 2004 und 2005 lagen Partei- und Fraktionsvorsitz bei der SPD nicht mehr in einer Hand. Nahles ist damit zugleich Koalitionspartnerin und Gegenspielerin von Kanzlerin Angela Merkel. Nahles Ergebnis bei der Wahl zur SPD-Vorsitzenden zeigt nach Einschätzung von FDP-Chef Christian Lindner „die Orientierungslosigkeit“ der Sozialdemokraten. Leitartikel Seite 2, Bericht Seite 3

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