Leitartikel Neue Wege aus dem Stau

Eigentlich müsste allen klar sein, dass es so wie bisher im Verkehr nicht weiter gehen kann – ganz besonders in den großen Städt
Eigentlich müsste allen klar sein, dass es so wie bisher im Verkehr nicht weiter gehen kann – ganz besonders in den großen Städten.

Darf der Staat bei Autobahnen sparen? Er muss sogar. Befürwortern und Gegnern der Verkehrswende liegt oft mehr an Symbolik als an Lösungen. Dabei liegen die richtigen Antworten für Stadt und Land auf der Hand.

So wie es ist, kann es nicht bleiben. In der Verkehrspolitik ist das eine nüchterne Feststellung – und trotzdem steckt darin eine enorme Sprengkraft. Denn so wie sich Menschen in Deutschland heutzutage zur Arbeit, zum Einkaufen und in der Freizeit von A nach B und C bewegen, kann es nicht weitergehen. Der Anteil des Verkehrs an den klimaschädlichen Emissionen steigt, zudem gibt es immer mehr Autos in Deutschland, die immer größer und schwerer werden. Selbst wenn eines Tages alle Verbrenner durch E-Autos ersetzt sind, würden sie die deutschen Straßen und Städte weiter verstopfen. Mancher Politiker hebt dann die Arme – die Menschen wollten nun mal Auto fahren. Als sei das ein Naturgesetz.

Einige Politiker scheinen selbst nicht mehr daran zu glauben, dass sie etwas verändern können, angefangen bei Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Das zeigt sich auch in der Debatte um den Haushalt, wo wieder einmal darüber gestritten wird, ob der Staat auch bei Autobahnen sparen darf. Die Antwort darauf ist klar: Er muss sogar. Gleichzeitig denken auch manche Befürworter einer Verkehrswende weg vom Auto zu simpel. Denn auch das bleibt in Zukunft wichtig – und für manche unersetzbar.

Los Angeles kann kein Vorbild sein

40 Stunden verbringt der durchschnittliche Autopendler pro Jahr im Stau – in einigen Städten fast doppelt so viel. Wer nun erwartet, dass man den Verkehr wieder zum Fließen bringt, indem man eine weitere Spur anbaut, dem darf man einen Blick nach Los Angeles empfehlen, wo dieses Vorgehen zu siebenspurigen Highways pro Richtung geführt hat – und das Stau-Problem nicht gelöst wurde. Natürlich müssen Autobahnen erhalten werden, aber ein Neubau ist nicht effektiv.

Gleichzeitig haben 48 Prozent der Deutschen einen Arbeitsweg von weniger als 10 Kilometern. Einen gut ausgebauten Radweg vorausgesetzt, ist das eine Distanz, die man durchaus per E-Bike zurücklegen kann. Es verlangt niemand, dass man dies in bergigen Gegenden, im strömenden Regen oder als gebrechlicher Mensch tut. Auch ein Außendienstler oder Handwerker wird natürlich weiter Auto fahren. Doch jeder Weg, der nicht mit dem Auto zurückgelegt wird, hilft im Kampf gegen den Klimawandel und das Verkehrschaos.

Ansprüche in Stadt und Land sind verschieden

Die Ansprüche in Stadt und Land sind verschieden. Das sollte jede Seite respektieren. Autofahrer müssen sich von dem Anspruch verabschieden, vom heimischen Carport unmittelbar in jedes Stadtzentrum zu fahren. Um öffentlichen Nahverkehr und Radverkehr zu fördern, muss man den Autoverkehr in den Zentren zurückdrängen.

Zur Wahrheit gehört: Auf dem Land gibt es keine Alternative zum Auto. Ein konkurrenzfähiger öffentlicher Nahverkehr lässt sich auf dem Land wegen der geringen Bevölkerungsdichte nicht etablieren. Was man aber fördern kann, sind bessere Umsteigemöglichkeiten. Es wäre viel gewonnen, wenn der Pendler nicht die ganze Strecke zur Arbeit mit dem Auto fahren, sondern zunächst zum Bahnhof und von dort mit einer Regionalbahn in die Stadt.

Die entscheidende Frage ist: Wie gelingt es, dass Menschen ihr Auto häufiger stehen lassen? Zu oft will die Politik es allen recht machen. Doch Rad, Auto, Bahn und Bus gleichzeitig zu fördern, ist verschwendetes Geld. Parkplätze für Autos in Innenstädten zu streichen oder neue Autobahnprojekte zu überdenken, gehört ebenso dazu, wie mehr Geld in den Nahverkehr zu stecken. Was viele vergessen: bei einer echten Verkehrswende gibt es viel zu gewinnen, Geld, Zeit, Lebensqualität. Und doch braucht jede Region eine individuelle Lösung. Nichts zu tun, ist keine.

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