Politik Nicht optimal versorgt

«Berlin.» Die Anzahl der stationär in deutschen Krankenhäusern behandelten alten Patienten mit mehrfachen Erkrankungen ist stark gestiegen. Dabei werden Hunderttausende hochbetagte Patienten nach einer neuen Krankenkassen-Studie nicht optimal versorgt.

So blieben viele über 70-Jährige oft für eine spezielle Krankenhaus-Reha in der Klinik, obwohl sie dort ein höheres Pflegefall-Risiko haben als bei einer herkömmlichen Reha, teilte die Barmer gestern unter Berufung auf ihren neuen Krankenhausreport mit. Die Behandlungsdauer richte sich dabei immer öfter nach den größten Erlösen der Krankenhäusern, nicht nach medizinischen Gesichtspunkten. Die Anzahl der über 70-jährigen Klinikpatienten mit jeweils mehreren Krankheiten stieg laut dem Report zwischen 2006 bis 2015 um 80 Prozent – von 1,1 auf zwei Millionen Personen. Auch immer mehr hochbetagte Patienten erhielten eine spezielle Klinik-Reha. 2006 waren es noch 79.600, 2015 schon 222.600. So eine „geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung“ (GFKB) koste beispielsweise nach einem Oberschenkelhalsbruch mit 14 Behandlungstagen 950 Euro mehr als eine klassische Reha, für die im Schnitt pro Geriatrie-Patient 3500 Euro anfielen. Laut Barmer ist diese Behandlung nicht nur teurer: „Die GFKB im Akutkrankenhaus weist im Vergleich zur Versorgung in klassischen Reha-Einrichtungen einen geringeren Behandlungserfolg auf“, sagte Kassenchef Straub. So würden Patienten mit Oberschenkelhalsbruch – die Diagnose mit den meisten GFKB-Patienten – nach dieser Behandlung zu 47 Prozent pflegebedürftig. Mit einer normalen Reha seien es nur 40 Prozent. Medizinisch nicht zu erklären seien auch die enormen regionalen Unterschiede bei der Klinik-Reha. So reiche der Anteil der Geriatrie-Patienten mit einer GFKB-Behandlung von 4,3 Prozent in Bayern bis zu 24,3 Prozent in Hamburg. Rheinland-Pfalz liegt hier bei 6,9 Prozent. Der Autor des Krankenhausreports, Boris Augurzky, sagte, die besten Chancen, wieder auf die Beine zu kommen, hätten Patienten in größeren, multidisziplinär aufgestellten Krankenhäusern. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte, die 2000 deutschen Kliniken seien auf die wachsende Anzahl älterer Menschen bisher kaum vorbereitet. „Bund und Länder haben hierauf in der Krankenhausgesetzgebung nicht reagiert“, sagte Vorstand Brysch. Ein Aufenthalt alter Menschen im Krankenhaus gleiche oft einer unfreiwilligen Achterbahnfahrt. „Betroffene sind gestresst, werden eingeengt und fühlen sich hilflos ausgeliefert. Das macht Angst“, fügte Brysch an. In der Folge gehe es ihnen nach der Entlassung häufig schlechter als vorher.

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