Politik PKK reklamiert Anschlag in Ankara für sich
Istanbul (dpa) - Die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK hat den Anschlag mit fünf Toten in Ankara für sich reklamiert. Das schrieb die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF unter Berufung auf die HPG, den militärischen Arm der Organisation. Der Anschlag sei von einem autonomen Team des «Unsterblichkeitsbataillons» ausgeführt worden.
Der Angriff ereignete sich kurz nach einer Äußerung der Ultranationalisten der Partei MHP, die Regierungspartner der AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan ist. Sie hatte eine mögliche Freilassung des PKK-Führers Abdullah Öcalan thematisiert. In der Mitteilung der HPG wurde ein Zusammenhang explizit bestritten.
Angriff richtete sich gegen Rüstungsunternehmen
Der Angriff am Mittwoch richtete sich gegen eines der bedeutendsten türkischen Rüstungsunternehmen. Vier der Toten waren Angestellte der Firma Tusas. Neben den Todesopfern gab es auch 22 Verletzte bei dem Angriff, der sich in einem Außenbezirk der Hauptstadt Ankara ereignete. Zwei mutmaßliche Angreifer seien getötet worden, ein Mann und eine Frau, so Innenminister Ali Yerlikaya.
Die PKK sprach von zwei toten «Helden». Tusas sei ein «militärisches Ziel», weil die von der Firma hergestellten Waffen «Zivilisten in Kurdistan» töteten. Laut Experten setzt die türkische Regierung Drohnen des Unternehmens im Kampf gegen die PKK ein.
Luftangriffe als Reaktion
Die türkische Regierung hatte wenige Stunden nach dem Anschlag mit Luftangriffen auf Ziele im Nordirak und in Syrien reagiert. Die PKK hat ihr Hauptquartier in den nordirakischen Kandil-Bergen. Präsident Erdogan sagte, der Anschlag sei Folge einer «Infiltration aus Syrien». In Nordsyrien geht Ankara regelmäßig gegen die syrische Kurdenmiliz YPG vor, die sie als Ableger der PKK sieht. Kurdenmilizen in Syrien schrieben von getöteten Zivilisten, die türkische Regierung sprach von toten «Terroristen».
PKK kämpft gegen den türkischen Staat
In der Türkei hat die PKK in der Vergangenheit immer wieder schwere Anschläge verübt, auch in Ankara. Die PKK kämpft seit den 80er Jahren gegen den türkischen Staat und verübt immer wieder Anschläge, zuletzt im Oktober 2023, als sich ein Attentäter am Eingang des Innenministeriums in die Luft sprengte. Seit 2015 sind laut der International Crisis Group mehr als 7.000 Menschen in dem Konflikt getötet worden, etwa 4.700 davon PKK-Militante.
Von ihrer Forderung nach einem eigenen Staat ist die PKK zugunsten von mehr Autonomierechten in den kurdischen Gebieten abgerückt. Die PKK wird von der Türkei, der Europäischen Union und den USA als Terrororganisation eingestuft.
Neuer Friedensprozess?
Der Chef der ultranationalistischen MHP Devlet Bahceli hatte am Dienstag eine Freilassung des seit mehr als zwei Jahrzehnten inhaftierten PKK-Anführers Abdullah Öcalan als Möglichkeit ins Gespräch gebracht, für den Fall, dass der die Entwaffnung der Organisation verkündet.
Beobachter werteten dies als ein Zeichen dafür, dass es möglicherweise zu einem neuen Friedensprozess zwischen Regierung und PKK kommen könnte. Öcalan hatte über einen Besucher am Mittwoch eine Mitteilung veröffentlicht und sich mit folgenden Worten zitieren lassen: «Wenn die Bedingungen gegeben sind, habe ich die theoretische und praktische Kraft, diesen Prozess von der Ebene des Konflikts und der Gewalt auf eine politische und rechtliche Ebene zu bringen.»
Von der PKK hieß es, man begrüße Öcalans Botschaft und werden sie den Entwicklungen entsprechend evaluieren. Der Anschlag sei lange geplant worden und habe nichts mit der aktuellen politischen Diskussion zu tun.
Die Absichten Bahcelis werden von Experten unterschiedlich gedeutet - etwa als Versuch, Erdogan eine weitere Amtszeit zu ermöglichen, die ihm die Verfassung in ihrer aktuellen Form verbietet. Er wolle die prokurdische Partei Dem auf seine Seite ziehen, die ihm die Mehrheit für eine Verfassungsänderung bringen könnte - oder für eine vom Parlament beantragte vorgezogene Neuwahl. Auch so wäre eine weitere Kandidatur möglich.
Aus außenpolitischer Sicht könnte sich die Türkei von einem Flächenbrand im Nahen Osten durch die Eskalation in Gaza und im Libanon bedroht sehen und darum zumindest den Konflikt mit den Kurden unter Kontrolle bringen wollen.