Politik Polens Regierung: Von Orbáns Ungarn lernen
In letzter Sekunde hat Polens Präsident mit seinem Veto eine Wahlrechtsreform zur Europawahl 2019 verhindert, die kleinere Parteien benachteiligen soll. Längst arbeitet die polnische Regierung aber an einem Gesetz, das ihr bei der folgenden Parlamentswahl eine verfassungsändernde Mehrheit bescheren soll.
Diesmal löste das Veto des polnischen Präsidenten keinen Aufschrei in der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) aus. Kein Minister gemahnte Andrzej Duda daran, dass er ohne den Parteivorsitzenden Jaroslaw Kaczynski nur ein unbedeutender Hinterbänkler wäre. Niemand schimpfte ihn einen Verräter, wie es noch bei seinem Veto gegen zwei Gesetze zum Umbau des Gerichtswesens vor einem Jahr der Fall war. Ganz im Gegenteil schienen dieses Mal alle hochzufrieden zu sein. In letzter Sekunde verhinderte Duda mit seinem Veto die Wahlrechtsreform zur Europawahl im Mai 2019. Berechnungen von Experten zufolge hätte die PiS-Reform die bisherige Fünf-Prozent-Klausel auf faktisch 16,5 Prozent hochgeschraubt, wodurch nur noch zwei große Parteien ins Europäische Parlament eingezogen wären – die derzeitige Regierungspartei PiS und die liberal-konservative Bürgerplattform, die größte Oppositionspartei in Polen. Nicht bedacht hatten die Initiatoren der Wahlreform, dass die hohe Sperrklausel ein Ansporn für die Oppositionsparteien sein könnte, ein großes Anti-PiS-Parteienbündnis zu schließen. Tatsächlich schienen die Oppositions-Parteichefs nun das Prinzip „Gemeinsam sind wir stark“ entdeckt zu haben. Sie stellen bereits für die Kommunalwahlen am 21. Oktober gemeinsame Kandidaten auf. Ein hohes Ergebnis einer Anti-PiS-Koalition bei den Europawahlen 2019 wäre aber aus Sicht der PiS ein fatales Signal für die kurz darauf stattfindenden Parlamentswahlen in Polen. Also: volle Kraft zurück! PiS-Parteisprecherin Beata Mazurek kommentierte das Veto Dudas in eher gelassenem Tonfall: „Wir respektieren die Entscheidung des Präsidenten.“ Was die PiS-Sprecherin nicht erwähnte, sind die bereits weit vorangeschrittenen Arbeiten zur nächsten Wahlrechtsreform. Denn wesentlich wichtiger als die Wahlen zum Europäischen Parlament sind für die PiS die polnischen Parlamentswahlen nur wenige Monate später. Die Opposition wirft der Regierungspartei vor, dass sie ihre absolute Stimmenmehrheit in Sejm und Senat dazu nutzen will, um der Partei bei den nächsten Parlamentswahlen die verfassungsändernde Mehrheit zu bescheren. Dazu müssen die Grenzen der bisherigen Wahlkreise neu gezogen werden. Ob Polens Präsident Duda auch dann sein Veto einlegen wird, ist vollkommen offen. Denn auch wenn der Senat letztens das geplante Verfassungsreferendum Dudas glatt abschmetterte, so streben doch alle PiS-Politiker eine neue polnische Verfassung an. Vorbild ist die „illiberale Demokratie“ Ungarns unter Premier Viktor Orbán.