Meinung Präsidentewahl im Iran: Ein Zittern vor dem Beben

Fest in der Hand der Mullahs: Der Oberste Führer des Iran, Ali Chamenei, dürfte dem neuen Präsidenten nur begrenzte Reformen erl
Fest in der Hand der Mullahs: Der Oberste Führer des Iran, Ali Chamenei, dürfte dem neuen Präsidenten nur begrenzte Reformen erlauben, die Herrschaft der Kleriker dagegen gilt als unantastbar.

Die wichtigste Erkenntnis aus der Präsidentenwahl im Iran lautet: Das Regime verliert seine Basis.

Bisher konnten sich Geistliche und Hardliner um Revolutionsführer Ali Chamenei auf Millionen konservative Iraner verlassen, die das theokratische System gegen Reformforderungen verteidigten. Bei Wahlen sicherten sie der Islamischen Republik mit einer hohen Beteiligung ein Mindestmaß an Legitimität. Nun ist diese Stütze des Regimes weggebrochen. Viele Konservative boykottierten die Präsidentschaftswahl. Der Reformer Massud Peseschkian siegte nicht wegen der Hoffnung im Lager der Demokratiebewegung, sondern wegen der Hoffnungslosigkeit im Lager der Konservativen.

Für Regimechef Chamenei ist die Wahl ein Alarmzeichen. Der 85-Jährige wollte in Ruhe seine Nachfolge regeln, hat es jetzt aber mit einem Präsidenten zu tun, der den Iran öffnen und reformieren will. Chamenei bleibt zwar der mächtigste Mann im Land und kann alle Reformen verhindern. Doch wenn er das tut, werden sich noch mehr Iraner von der Herrschaft der Mullahs abwenden. Chamenei dürfte Peseschkian deshalb begrenzte Reformen erlauben und gleichzeitig die Kleriker-Herrschaft für unantastbar erklären.

Dabei dürften die Machtkämpfe zwischen den Fraktionen der Hardliner zunehmen. Das kann zu einer Zerreißprobe führen, wenn das Regime während Peseschkians Präsidentschaft einen Nachfolger für den greisen Chamenei bestimmen muss. Peseschkians Wahlsieg könnte das erste Zittern vor einem politischen Erdbeben gewesen sein.

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