Meinung Prowestliche Proteste in Georgien: Die EU steckt in einem Dilemma

In Georgien riskieren Menschen für den Traum von Europa ihr Leben.
In Georgien riskieren Menschen für den Traum von Europa ihr Leben.

Die Demonstranten in Tiflis hoffen auf Hilfe aus Brüssel. Doch in diesem Kampf um Einfluss zwischen Russland und Europa, sind die Möglichkeiten der EU eher begrenzt.

In Georgien riskieren Menschen für den Traum von Europa ihr Leben. Vieles, was in der Hauptstadt Tiflis passiert, erinnert erschreckend an den Aufstand auf dem Maidan in Kiew, als am Ende ukrainische Demonstranten mit der EU-Flagge in der Hand von Sicherheitskräften erschossen wurden. Die Protestierenden in Tiflis wollen jedoch nicht weichen und stemmen sich trotz der Polizeigewalt weiter gegen ein äußerst umstrittenes Gesetz.

Die geplante Regelung der moskaufreundlichen Regierung könnte die Arbeit zahlreicher nichtstaatlicher Organisationen und von Medien erschweren. Vor allem die jungen Menschen haben Angst, dass mit dem Gesetz politische Repressionen zunehmen und Kritiker mundtot gemacht werden sollen. In den Augen der Demonstranten ist damit insbesondere auch die EU-Perspektive ihres Landes gefährdet. Die Proteste werden aus diesem Grund begleitet von Hilferufen in Richtung Europäische Union.

Nach Tagen des Zögerns hat sich nun EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Wort gemeldet. Sie verfolge die Vorgänge in Tiflis „mit großer Sorge“ und verurteile die Gewalt gegen die Demonstranten. Ihre Botschaft an die Regierung ist sehr klar: „Georgien steht an einer Kreuzung. Das Land sollte den Weg in Richtung Europa fortsetzen.“ Seit einigen Monaten hat das Land den Status eines Beitrittskandidaten, und Ursula von der Leyen macht deutlich, dass das geplante Gesetz nicht mit den Regeln der EU vereinbar ist.

Europas „weiche Macht“ reicht nicht

Allerdings steckt Brüssel in einer schwierigen Lage. Auf der einen Seite muss Druck auf die georgische Regierung ausgeübt werden, das Gesetz zurückzunehmen. Allerdings darf nicht die Tür zugeschlagen werden, denn das würde vor allem Russland in die Hände spielen, das seinen Einfluss in Georgien vergrößern will. Das Land wäre wohl auf Jahre für die Demokratie verloren.

Im Falle von Georgien offenbart sich einmal mehr, dass die EU mit ihrer „weichen Macht“ überraschend hilflos darauf reagiert, wenn ein Land auf seinem Weg in die Union unvermittelt vom Pfad abkommt. Als besonders labil gilt in diesem Fall der Balkan. So ist Serbien seit 2012 EU-Beitrittskandidat, doch Präsident Aleksandar Vucic regiert, trotz der ständigen Warnungen aus Brüssel, zunehmend autoritär.

Auch in Serbien hat der Kreml seine Finger mit im Spiel. Der nützt das westliche Politik- und Sicherheitsvakuum auf dem Balkan gezielt zu seinen Gunsten. So wird Serbien seit Jahren überzogen mit russischer Propaganda. Wie in den meisten Fällen setzt Moskau in dieser kriselnden Region auf die Energiekarte: Das Land ist zu 90 Prozent von russischen Gasimporten abhängig. Im Bemühen, Moskau Paroli zu bieten, agiert die EU eher halbherzig. Brüssel drängt darauf, dass Serbien seinen Anteil an erneuerbaren Energien zügig erhöht. Allerdings ist der Erfolg überschaubar.

Die Lust von Autokraten auf Zusammenarbeit mit der EU ist generell sehr begrenzt. Brüssel verlangt im Gegenzug für die Unterstützung grundsätzlich demokratische Reformen. Doch die Alleinherrscher sehen es nicht ein, ihre Macht abzugeben, wenn sie von Russland oder auch China wirtschaftliche und militärische Hilfe einstreichen können – ohne eine ähnliche, für sie schmerzhafte Gegenleistung.

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