Politik Saar-CDU setzt alles auf Schwarz-Rot

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Seit fünf Jahren regiert die CDU im Saarland geräuschlos und erfolgreich mit der SPD. Für Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer geht es bei der Landtagswahl am Sonntag um alles. Verliert die CDU-Politikerin ihr Amt an Herausforderin Anke Rehlinger von der SPD, „werde ich aus der Landespolitik ausscheiden“, sagt die 54-Jährige.

Rund 800.000 Wahlberechtigte können sich am Sonntag ein neues Landesparlament zusammenstellen. 51 Sitze sind im ehemaligen Haus der Saarbrücker Casinogesellschaft zu vergeben. Gerade mit Blick auf die folgenden Koalitionsverhandlungen könnte es spannend werden. Jüngste Umfragen sehen die vom Stimmungshoch um ihren Kanzlerkandidaten Martin Schulz beflügelte Saar-SPD bei 32 bis 34 Prozent, und damit fast so stark wie die CDU (34 bis 37 Prozent). Die Linke um Oskar Lafontaine könnte mit 13 Prozent in etwa so stark werden wie bei der Wahl 2012. Grüne und FDP würden demnach die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in den Landtag nicht schaffen. Die AfD wurde zuletzt bei sechs bis sieben Prozent verortet. Weil Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer genau wie alle anderen relevanten Parteien ein Bündnis mit der AfD wegen rechtsextremer Kontakte deren Spitzenpersonals, Affären im Vorfeld der Wahl und ganz grundsätzlich ausschließt, käme nur eine Neuauflage der großen Koalition infrage. Oder aber ein von Oskar Lafontaine angebotenes linkes Bündnis aus SPD und Linken. Dann mit einer Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und der Rückkehr der Sozialdemokraten nach 18 Jahren in die Saarbrücker Staatskanzlei. Vor fünf Jahren konnte die CDU 19 Sitze im Landtag erringen. Auf die Sozialdemokraten entfielen 17, auf Lafontaines Linke neun, auf die auf dem Kamm ihrer Zustimmungswelle surfenden Piraten vier und auf die bei exakt 5,0 Prozent gelandeten Grünen zwei Mandate. Damals ging es einzig und allein um die Frage: Wer stellt den Ministerpräsidenten? Die CDU mit Annegret Kramp-Karrenbauer oder die SPD mit ihrem Landesparteichef und heutigen Bundesjustizminister Heiko Maas. Beide hatten sich zuvor eine Koalition der großen Aufgaben versprochen. Denn vor fünf Jahren noch war die Existenz des Haushaltsnotlagenlandes nicht gesichert. Ihren Stiftungszweck erfüllte die CDU/SPD-Regierungskoalition dann im vergangenen Herbst. Bei den Verhandlungen um die Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs und der gesamten Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab dem Jahr 2020 erzielten die im Vorfeld alle Strippen ziehenden Saarländer einen selbst kaum für möglich gehaltenen Erfolg. Rund 500 Millionen Euro jährlich kann man einsetzen, um Schulden abzubauen und – nach Jahren harten Sparens, verbunden mit der Streichung jeder zehnten Stelle im Landesdienst – wieder zu investieren: an der Universität, in die von der Automobilindustrie abhängige Wirtschaft. Eine Wechselstimmung ist im Vorfeld der Wahl am Sonntag nicht zu spüren. Ganz im Gegenteil. In allen Umfragen zeigen sich die Befragten zufrieden mit der großen Koalition und ihrem Personal. Weit mehr als 50 Prozent sähen gerne eine Neuauflage, egal ob unter CDU- oder SPD-Führung. Das Mandat einer großen Koalition unter ihrer Führung möchte die seit 2011 regierende Annegret Kramp-Karrenbauer erneuert sehen. „Unsere Koalition hat auch noch am Ende besser, einvernehmlicher und erfolgreicher gearbeitet, als es die große Koalition in Berlin je tat. Ich will sie fortsetzen“, sagt Kramp-Karrenbauer. Das Projekt mit der SPD sei sowieso auf zwei Wahlperioden angelegt. „Bis wir die 500 Millionen Euro erhalten, liegen noch zwei schwierige Jahre vor uns. Die CDU braucht einen verlässlichen Partner. Und den sehe ich in der SPD.“ Das im kurzen, nüchtern geführten Wahlkampf wiederholte Argument zeugt von der Verlegenheit der CDU. Außer der SPD fehlt es an möglichen Partnern. Die Saar-Grünen und die zwischen den Landtagswahlen 2009 und 2011 von 9,2 auf 1,2 Prozent abgestürzte FDP sind Wackelkandidaten. In mehrfacher Hinsicht. Die in Teilen an der Saar gespaltenen, strukturell schwach aufgestellten Grünen müssen um jede der mindestens 25.000 Stimmen, die sie über die Fünfprozent-Hürde hieven sollen, kämpfen. Die Umfragen sagen den beiden zum Realo-Flügel der Partei zählenden Spitzenkandidaten Hubert Ulrich und Barbara Meyer-Gluche für Sonntag eine Zitterpartie voraus. So war es eigentlich immer. Mehr als 5,9 Prozent der Stimmen schafften die Saar-Grünen nie. Die im Wahlkampf gesetzten Themen – die Verhinderung von Gefahren fürs Trinkwasser durch einen Anstieg von Grubenwasser in den seit 2012 stillgelegten Saar-Bergwerken und ein Ende des Sparens an der Landes-Uni – mobilisieren nicht recht oder sind kein Alleinstellungsmerkmal. Ähnlich vage sind die Aussichten der Saar-Liberalen mit Spitzenkandidat Oliver Luksic. Zwar gelang es dem Ex-Bundestagsabgeordneten, der die früheren Affären innerhalb der Landtagsfraktion auszubaden hatte, die Partei zu erneuern. Und er konnte sogar prominente Köpfe der Saar-Wirtschaft zur Kandidatur bewegen. Aber auf Themen wie „Ja zu unserer Kraftwerkslandschaft“ und „Mehr Wirtschaftskompetenz in der Regierung“ dürfte das Gros der Wähler nicht anspringen. Luksic war es, der 2011 just am den Liberalen heiligen Dreikönigstag den Anruf Kramp-Karrenbauers entgegennehmen musste, in dem sie ihm die noch von ihrem Vorgänger Peter Müller geschmiedete „Jamaika-Koalition“ aufkündigte. Sein Verhältnis zu „AKK“ ist seitdem, gelinde gesagt, belastet. So wittern Anke Rehlinger und die Saar-SPD ihre Chance. Mit den erklärten Wahlzielen, stärkste Partei zu werden und die AfD aus dem Landtag zu halten, könnte es zwar nichts werden. Aber mit einer SPD-Ministerpräsidentin. Es wäre der erste Sozialdemokrat in der Staatskanzlei seit Reinhard Klimmt 1999. „Es ist richtig, wir spüren den Zuspruch für unseren Kanzlerkandidaten. Aber es sind ja genau unsere Themen im Land, Bildungsgerechtigkeit, faire Arbeitsbedingungen und ein Lohn, der später einmal die Rente sichert und Altersarmut verhindert, die Martin Schulz anspricht“, sagt die jetzige Vize-Regierungschefin und Wirtschaftsministerin. Mit der Senkung der Gebühren für Krippenplätze und Kitas will Rehlinger in den ersten 100 Tagen nach der Wahl ein Versprechen einlösen. Der im Wahlkampf wie Don Quijote gegen die vermeintliche „Verspargelung“ der Landschaft durch den Bau weiterer Windkraftanlagen anreitende Lafontaine stellt seiner Ex-Partei zumindest keine in Koalitionsverhandlungen unüberwindliche Hürden auf. Auch personell nicht. Minister, lässt der 73-Jährige wissen, wolle er nicht mehr werden. Mit der 33 Jahre jüngeren Anke Rehlinger versteht er sich gut. Die nicht zur Generation Lafontaine gehörende Rehlinger enthält sich indes jeder Koalitionsaussage. „Am Sonntag werden Parteien, keine Koalitionen gewählt“, wiederholt die 40-Jährige mantraartig. Eine Position vor der Wahl, die ihr nach der Wahl alles offen hält.

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