Meinung Sachsen: Das Dilemma der CDU

Für Ministerpräsident Michael Kretschmer wird es nicht einfach sein, eine Regierungsmehrheit zu finden.
Für Ministerpräsident Michael Kretschmer wird es nicht einfach sein, eine Regierungsmehrheit zu finden.

Sachsens Ministerpräsident Kretschmer braucht für eine Regierungsmehrheit das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Aber der Weg der konservativen Sachsen-CDU zur Allianz mit dem populistischen BSW ist weit und schwer.

Die erste Bedingung für Verhandlungen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) war für Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer keine hohe Hürde. Der CDU-Politiker traf sich Anfang der Woche mit der Parteigründerin in Berlin. Wagenknecht hatte auf einen persönlichen Austausch bestanden, bevor mit ihrer Partei auf Landesebene sondiert wird. Viel ist über dieses Treffen nicht bekannt geworden. Für eine Mehrheitsregierung braucht die sächsische Union auf jeden Fall das BSW und einen weiteren Partner aus der bisherigen Kenia-Koalition mit SPD und Grünen.

„Ich habe mir das nicht gewünscht“, betont der Regierungschef in diesen Tagen mehrfach. „Aber ich muss mit dem Wahlergebnis leben.“ Er bereitet sich auf einen schwierigen Verhandlungsmarathon vor. Das liegt zum einen an der Person Wagenknechts, die viele Jahre Sprecherin der linksextremistisch eingestuften Kommunistischen Plattform der PDS/Linke war. Aber auch an der Absicht der Parteichefin, sich „persönlich“ in die jeweiligen Verhandlungen der Landesverbände einzubringen.

„Zeiten vom Politbüro vorbei“

Die CDU würde nur mit den BSW-Abgeordneten im sächsischen Landtag verhandeln, bekräftigt Kretschmer. „Die Zeiten vom Politbüro sind vorbei, wo jemand in Berlin entscheiden konnte, was vor Ort passiert.“ Das ist zumindest die öffentliche Rhetorik. Natürlich stimme man sich eng mit Berlin ab, sagt Jörg Scheibe, Co-Vorsitzender des BSW in Sachsen. Der Ingenieur tritt ausgesprochen selbstbewusst auf. Er weiß, dass die CDU auf das BSW angewiesen ist.

Kretschmer signalisierte in Interviews bereits vorsichtig Kompromissbereitschaft: Er räumte ein, dass seine Regierung mehr gegen den Lehrermangel und die oft unzureichende medizinische Versorgung im ländlichen Raum hätte machen müssen. Weitaus heikler für die CDU dürften die BSW-Forderungen sein, dass Deutschland auf eine Stationierung von US-Raketen verzichtet, die Ukraine-Hilfen einstellt und das Verhältnis zu Russland neu ausrichtet. Scheibe schwebt da als Erstes eine Bundesratsinitiative des Freistaats vor, mit der die Bundesregierung aufgefordert werden soll, die Diplomatie voranzutreiben.

Wanderwitz: Wagenknecht kremltreue „Nationalbolschewistin“

Zwar fiel Kretschmer zuletzt immer wieder mit Ausflügen in die Weltpolitik auf. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat er verlangt, den Krieg einzufrieren. Auch legte er kürzlich der Ukraine einen zeitweiligen Verzicht auf die von Russland annektierten und besetzten Gebiete nahe. Aber damit stand Kretschmer im CDU-Bundesvorstand stets allein. Ohnehin kann er dem BSW nur begrenzt entgegenkommen.

Denn seine Partei steckt bundesweit in einem Dilemma: Parteichef Friedrich Merz hat den ostdeutschen Landesverbänden zwar freie Hand in Bezug auf das BSW gegeben. Doch nicht nur im Westen und unter Außenpolitikern der Union gibt es große Vorbehalte gegen die neue Partei. Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz etwa bezeichnete jüngst die BSW-Chefin als kremltreue „Nationalbolschewistin“.

Wagenknecht wiederum hat die Latte ziemlich hoch gehängt. Ihre Partei werde nur mitregieren, wenn „substanzielle Veränderungen“ erreicht werden könnten, hat sie angekündigt. Kretschmer wird also mit viel Fingerspitzengefühl agieren müssen, einen langen Atem benötigen. Den Vorschlag einer Minderheitsregierung weist er entschieden zurück. Ziel sei eine stabile Koalition. Dafür haben die Parteien rund vier Monate Zeit. „Wenn die Regierungsbildung bis Anfang Februar scheitert“, erklärte jetzt Kretschmer, „wird es eine Neuwahl geben.“

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