Politik Sackgasse – Ausweg dringend gesucht

Am informellen Treffen zum Thema Migration werden am Sonntag in Brüssel die Staats- und Regierungschefs aus 16 EU-Ländern teilnehmen. Als treibende Kraft gilt Bundeskanzlerin Angela Merkel, die einen Ausweg aus dem Konflikt mit Innenminister Horst Seehofer sucht. Doch die Interessen der teilnehmenden EU-Länder sind zu unterschiedlich, als dass verbindliche Absprachen zu erwarten wären.

Das Treffen, zu dem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eingeladen hat, ist am Dienstag auf Schloss Meseberg bei Berlin zwischen Juncker, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verabredet worden. Die Bundeskanzlerin will mit den anderen „Chefs“ ausloten, wie beim offiziellen EU-Gipfel Ende nächster Woche Fortschritte für eine grundlegende Reform des Asylsystems in der EU erreicht werden können. Merkel wird zudem ihre Verhandlungen über Absprachen mit anderen EU-Ländern über die Rücknahme registrierter Asylbewerber, die in Deutschland ankommen. Erwartungen auf einen endgültigen Durchbruch hat Merkel schon gedämpft: „Wir wissen, dass es am nächsten Donnerstag und Freitag auf dem EU-Rat keine Lösung auf der Ebene der 28 Mitgliedstaaten für das gesamte Paket der Migrationsfragen geben wird“, so die Kanzlerin. Nach derzeitigem Stand werden am Mini-Gipfel vom Sonntag nicht teilnehmen: die vier Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn sowie Großbritannien, Portugal, Irland, Zypern, Rumänien und die baltischen Staaten. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk wird nicht dabei sein. In Brüssel wird dies damit erklärt, dass Tusk, der als Gastgeber die EU-Gipfel moderiert, nur an Treffen teilnehmen wolle, bei denen alle Mitgliedstaaten dabei sind. Juncker hatte alle Mitgliedstaaten eingeladen, „die sich dafür interessieren, Lösungen vor dem Gipfel zu erarbeiten“. Es wird nicht damit gerechnet, dass bei dem auf vier Stunden angesetzten Treffen morgen konkrete Beschlüsse gefasst werden. Klar ist, dass es große Differenzen zwischen den Staats- und Regierungschefs gibt. Merkel will europäische Lösungen. Sie will nationale Alleingänge verhindern wie etwa das Schließen von Grenzen und neue Kontrollen an weiteren Grenzen. Sie pocht darauf, dass Asylbewerber unter den EU-Staaten verteilt werden, sollte die Anzahl der Ankommenden wieder stark ansteigen. Das ist der einzige Punkt, in dem Merkel mit Italien übereinstimmt. Der italienische Innenminister Matteo Salvini, der der rechtspopulistischen Lega angehört, sagte auf Asylbewerber gemünzt: „Wir wollen ein paar abgeben.“ Italien befindet sich ansonsten auf einer Linie mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der für eine härtere Gangart steht. Salvini und Kurz wollen vor allem über eine Sicherung der Grenzen reden und möglichst wenige Flüchtlinge in die EU lassen. Kurz rechnet mit einem Dominoeffekt, falls Deutschland registrierte Asylbewerber nach Österreich zurückschickt, wie es Innenminister Seehofer will. „Wir würden alles tun, was erforderlich ist, um unsere Grenzen zu schützen. Das würde die Grenzsicherung am Brenner bedeuten“, betont der Kanzler aus Wien. Salvini wiederum sagt: „Wir können keinen Einzigen mehr aufnehmen.“ Nach Protest Italiens ist der Entwurf eines Abschlussdokuments für den morgigen Mini-Gipfel zurückgezogen worden. In dem Entwurf hatte sich eine Formulierung gefunden, die nationalen Alleingängen eine Absage erteilte und in Rom und Wien als Parteinahme der Kommission für Merkel verstanden wurde. Der Satz lautete: „Einseitige, unkoordinierte Maßnahmen wären nicht nur weniger effektiv, sie würden vielmehr dem Prozess der Vertiefung Europas schaden und die Errungenschaften Schengens gefährden.“ Mit Schengen sind die Abkommen über den Wegfall der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der EU gemeint. Die Staats- und Regierungschefs Österreichs, Dänemarks und Frankreichs haben in einem Punkt ähnliche Interessen: Sie machen sich stark dafür, dass außerhalb der EU Zentren eingerichtet werden, wo geprüft werden soll, ob Migranten eine Chance darauf haben, in der EU Asyl zu bekommen. Derartige Zentren sollen dazu dienen, Migranten davon abzuhalten, sich Menschenhändlern anzuvertrauen und sich auf die gefährliche Reise über das Mittelmeer zu begeben.

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