Meinung Sahra Wagenknecht – die Ungreifbare

Eilt von Erfolg zu Erfolg: Parteigründerin Sahra Wagenknecht, ehemals Mitglied der Linkspartei.
Eilt von Erfolg zu Erfolg: Parteigründerin Sahra Wagenknecht, ehemals Mitglied der Linkspartei.

Sahra Wagenknechts Bündnis ist zu einem politischen Machtfaktor geworden, obwohl sie noch nie Regierungsverantwortung getragen hat.

Vor acht Jahren schleuderte ein frustrierter Aktivist bei einem Linken-Parteitag in Leipzig eine Schokoladentorte ins Gesicht von Sahra Wagenknecht. Auf einem ausgeteilten Zettel wurde die Attacke begründet mit Wagenknechts Position, dass nicht alle Flüchtlinge nach Deutschland kommen könnten. Der Tortenwerfer verglich Wagenknecht mit Beatrix von Storch von der AfD. Später sagte Wagenknecht, dass sie mit der rechtsnationalen Politikerin auf eine Ebene gestellt werde, sei für sie schlimmer gewesen als die Torte. Wagenknecht hatte die Ausweisung krimineller Ausländer und Obergrenzen bei der Flüchtlingsaufnahme gefordert. In ihrer Partei, damals noch die Linke, wurde das scharf kritisiert.

Heute zieht Wagenknecht mit den gleichen Forderungen von Erfolg zu Erfolg. Die Linkspartei, der sie weiterhin ihr Bundestagsmandat verdankt, ist pulverisiert. Kaum ein halbes Jahr nach seiner Gründung sichert sich das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zuerst den Einzug ins Europaparlament und dann in die Landtage von Sachsen und Thüringen. Nach allen Umfragen wird das BSW am Sonntag auch in den Landtag von Brandenburg einziehen. Die 55-Jährige ist zu einem politischen Machtfaktor geworden, obwohl sie noch nie politische Verantwortung getragen hat. In dieser rasanten Geschwindigkeit hat das noch keine Partei geschafft.

Wagenknecht ist eine Projektionsfläche

Dieser Erfolg ist eigentümlich. Zum einen, weil Wagenknechts Partei sich dem gängigen Schema entzieht, nach dem man entweder rechts oder links ist. Zum anderen, weil das BSW niemals all das erfüllen kann, was die Wähler von ihm erhoffen. Wagenknecht ist eine Projektionsfläche für Tausende von Wünschen nach behaglicher Einfachheit und Überschaubarkeit. Ihre Bedeutung im Reigen deutscher Politiker wird damit völlig überhöht.

Das BSW rutscht mit seinem gefälligen Patchwork-Programm aus links-orientierter Sozialpolitik und restriktiver Migrationspolitik in eine Lücke des deutschen Parteiensystems. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen, würde die Partei auch Lösungsansätze bieten, die der Realität standhielten. Der Blick auf deren außenpolitische Grundsätze zeugt vom Gegenteil: Wagenknecht instrumentalisiert die Angst vieler Ostdeutscher vor einer Eskalation des Krieges in der Ukraine für wohlfeile Zustimmung.

Wagenknechts zynische These

Ob die frühere DDR-Bürgerin nun „Putin-Freundin“ ist oder nicht, eines ist klar: Ihre Forderung, die Ukraine müsse „zu Verhandlungen bereit“ sein und „Kompromisse schließen“, verkehrt das Täter-Opfer-Verhältnis geradezu schamlos. Die zynische These heißt nichts anderes, als dass sich Wladimir Putin durch den Überfall auf die Ukraine das Recht auf einen Kompromiss erworben hat. Und er damit jederzeit weiter Grenzen mit Gewalt verschieben kann. Irrwitzig ist auch der Gedanke, die Landesregierungen im Osten, denen das BSW womöglich bald angehört, könnten in dieser Sache irgendetwas entscheiden.

Vor diesem Hintergrund könnte es am Sonntag auch in Rheinland-Pfalz interessant werden, wenn sich die Landespartei des BSW gründet. Man wird fragen müssen, ob und welche landespolitischen Themen überhaupt dort eine Rolle spielen werden oder ob das BSW auch regional schlichtweg ungreifbar bleibt.

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