Politik Schneidend scharf

In München treffen zwei SPD-Chefinnen aufeinander: Andrea Nahles führt die Partei auf Bundesebene und Natascha Kohnen die bayerischen Sozialdemokraten. Ihren Streit über den Fall Maaßen beenden die beiden nicht. „Größere Abwägungen“ in der Bundespolitik stoßen sich mit den Wahlkampfinteressen in Bayern. Dort wird Mitte Oktober gewählt.

Bayerns

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel nicht sehen im weißblauen Wahlkampf. Doch mit dieser innerparteilichen Berlin-Allergie steht die CSU keineswegs alleine da. Auch die SPD ist davon infiziert. So hat die Bundesvorsitzende der SPD, Andrea Nahles, gestern einen Wahlkampfauftritt in der Gegend von Nürnberg abgesagt. Offiziell wegen „Terminen“ in der Bundeshauptstadt. Dabei hat die bayerische SPD längst wissen lassen, dass sie Nahles keineswegs als Turbo bei der Jagd nach bayerischen Wählerstimmen betrachtet beziehungsweise als Retterin im Überlebenskampf. Dass die Natascha Kohnen furchtbar sauer ist auf Andrea Nahles, das wird sogar noch deutlich, als die beiden gestern Nachmittag unmittelbar nebeneinander stehen. Nahles hat der Beförderung des umstrittenen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, auf einen Staatssekretärsposten im Bundesinnenministerium zugestimmt – im Gegenzug hat Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer die Versetzung eines beamteten Staatssekretärs in den einstweiligen Ruhestand durchgesetzt. Dieser Spitzenbeamte ist im Besitz eines SPD-Parteibuchs. Für die Wahlkämpferin Kohnen ist die Beförderung Maaßens (er verdient auch mehr als vorher) eine Art „Größter anzunehmender Unfall“ der politischen Glaubwürdigkeit. „Inakzeptabel“ sei das; „untragbar“ angesichts Maaßens „Kungelei“ mit der AfD; die SPD-Minister im Kabinett dürften der Versetzung nicht zustimmen, hat Kohnen in einem Brandbrief an Nahles verlangt. All dies umgesetzt würde, daran gibt es keinen Zweifel, auf einen Bruch der Koalition hinauslaufen. Aber Kohnen spricht ja sowieso nur noch vom „sogenannten“ Koalitionspartner Union. Gestern nun, lange geplant, haben die Fraktionsvorstände der Landes- und der Bundes-SPD gemeinsam in München getagt. Eine gemeinsame Linie im Fall Maaßen haben sie nicht gefunden. Das gibt Nahles unumwunden zu. Beim Maaßen-Kompromiss, sagt sie, sei es ihr „um größere Abwägungen“ gegangen, „ob Neuwahlen jetzt das Richtige sind et cetera“. Aber gut, räumt sie ein, in dieser „komplizierten Situation“ sei „noch viel zu klären“. Das werde auch geschehen, am Montag wenn der Parteivorstand tagt. Nahles verspricht: „Ich werde alle Debatten zulassen.“ Das letzte Wort vor den Fernsehkameras in München aber hat Natascha Kohnen. Sie nutzt die Gelegenheit mit schneidend scharfer Stimme: „Meine Haltung kennen Sie. Die steht.“ Einig sind sich Kohnen und Nahles lediglich in der Gegnerschaft zu Bundesinnenminister Horst Seehofer. „Außer Rand und Band“ sei der CSU-Vorsitzende; er könne machen, „was er will“. Mit Hans-Georg Maaßen habe er „eine Personalfrage zur Koalitionsfrage gemacht“ und dafür gesorgt, „dass die ganze Bundesregierung kein gutes Bild abgibt“. Kohnen war von Anfang an gegen die große Koalition. Deren schlechter Zustand fällt ihr jetzt im Wahlkampf auf die Füße. Dabei ist die Lage schon schwierig genug. Hatte die bayerische SPD bei der Landtagswahl von 2013 noch 20,6 Prozent der Wählerstimmen bekommen, so steht sie jetzt laut aktuellen Umfragen bei elf Prozent. Damit liegt die SPD exakt auf AfD-Niveau. Und auf dem der Freien Wähler. Unter „ferner liefen“ sozusagen.

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