Meinung Tötung des Hamas-Chefs ist Demütigung für Teheran

Anhänger der Hamas nehmen an einer Demonstration zur Verurteilung der Tötung des politischen Hamas-Chefs Ismail Hanija teil.
Anhänger der Hamas nehmen an einer Demonstration zur Verurteilung der Tötung des politischen Hamas-Chefs Ismail Hanija teil.

Der tödliche Anschlag auf Hamas-Chef Hanija zeigt, dass der Iran seine Verbündeten nicht schützen kann.

Der israelische Anschlag auf Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran ist spektakulär, aber kein Wendepunkt wie der 7. Oktober. Damals löste die Hamas mit ihrem Angriff auf Israel einen Krieg aus, der die Machtverhältnisse in der Region veränderte. Der Anschlag in Teheran wird zwar ebenfalls Konsequenzen haben, doch er ändert nichts am Muster des Konflikts.

Kurzfristig verdüstert die Ermordung von Hanija die Chancen für eine Waffenruhe in Gaza. Israel hat in Teheran eine spektakuläre Machtdemonstration abgeliefert. Die Hamas wird nach dem Tod ihres Chefs zumindest erst einmal noch weniger zu Kompromissen bereit sein als vorher. Dennoch fiel am Mittwoch auf, dass die Hamas die Gaza-Verhandlungen nicht für gescheitert erklärte. Auch bleibt Katar bei seiner Vermittlerrolle.

Die Hamas bleibt für Israel ein gefährlicher Gegner

Noch etwas bleibt unverändert: Die Hamas wird auch ohne Hanija ein gefährlicher Gegner Israels sein. Die Palästinensergruppe hat in ihrer Geschichte schon andere Anführer durch israelische Anschläge verloren, ohne dass sie dadurch zerstört worden wäre. Israel hat die Hamas nur geschwächt.

Ebenfalls geschwächt ist der Iran. Die Islamische Republik sieht sich gerne als einflussreiche Regionalmacht, steht jetzt aber als Land da, das seine Verbündeten nicht schützen kann. Israel wusste offenbar nicht nur, wo Hanija in Teheran wohnte, seine Luftwaffe konnte auch ohne erkennbare Probleme die iranische Flugabwehr überwinden. Die Revolutionsgarde, die Schutztruppe des Regimes, wurde nicht zum ersten Mal von Israel kalt erwischt. Weder die politische Führung noch die Revolutionsgarde, die sich gerne als unbesiegbar darstellt, äußerten sich zum offensichtlichen Versagen des iranischen Sicherheitsapparates.

Ein Krieg des Iran gegen Israel ist unwahrscheinlich

Hanijas Tod mitten in Teheran ist eine schwere Demütigung für den Iran und ein Schlag gegen das Kernstück der iranischen Außenpolitik in der Region: Mit der „Achse des Widerstands“, die aus Gruppen wie Hamas und Hisbollah besteht, will Teheran seinen Einfluss im Nahen Osten ausweiten und Israel unter Druck setzen. Fernziel ist es, die USA aus der Region zu verdrängen.

Teheran wird auf die Demütigung antworten, doch dass die Islamische Republik einen Krieg gegen Israel beginnt, ist unwahrscheinlich. Denn damit könnte das iranische Regime sein eigenes Ende einläuten – ein Regime, das wegen des Unmuts vieler Iraner über das System ohnehin geschwächt ist.

Anschläge pro-iranischer Gruppen denkbar

Wahrscheinlicher sind Anschläge pro-iranischer Gruppen auf israelische und amerikanische Einrichtungen im Nahen Osten und im Westen.

Wenn sich die gegnerischen Akteure trotz des Gaza-Konflikts weiter an den Grundsatz halten, dass es zwar Scharmützel und Anschläge geben darf, aber keinen Krieg in der ganzen Region, könnte Hanijas Tod langfristig sogar zur Entspannung beitragen, so unwahrscheinlich das im Moment auch erscheinen mag. Sollte der erwartete iranische Gegenschlag glimpflich verlaufen, könnte Israel den Anschlag auf Hanija nutzen, um sich in Gaza zum Sieger zu erklären. Und die Hamas könnte einer Waffenruhe zustimmen, um Zeit für eine Neuformierung unter neuer Führung zu gewinnen.

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