Leitartikel Tourismus: Fluch und Segen zugleich

Dichtes Gedränge: Der Strand von Palma de Mallorca.
Dichtes Gedränge: Der Strand von Palma de Mallorca.

Die Spanier haben zunehmend die Nase voll vom Massentourismus. Lange haben sie davon profitiert, jetzt treten die Schattenseiten zutage. Das betrifft immer mehr Urlaubsziele und muss zum Umdenken mahnen.

Die Proteste der Einheimischen in den Tourismushochburgen Spaniens sind nur zu verständlich. In der Hochsaison fühlen sie sich wie Fremde im eigenen Land. Lokale und Geschäfte sind überfüllt. Die Touristen treiben die Preise hoch. Immer mehr Wohnungen werden als Ferienimmobilien vermietet – die Einheimischen finden keine bezahlbare Bleibe mehr. Das ist nicht nur in Spanien so. Auf der griechischen Vulkaninsel Santorin weiß man zum Beispiel nicht mehr, wohin mit dem Müll der Touristen. Strom und Wasser werden im Sommer knapp.

Andererseits müssen sich Bürger und Politiker in den betroffenen Regionen auch an die eigene Nase fassen. Jahrzehntelang hat man vom Tourismus profitiert – Einheimische wie Kommunen. Allerdings nicht alle gleichermaßen. Und die Verantwortlichen haben oft den richtigen Zeitpunkt verpasst, einen Riegel vorzuschieben und die ungebremste Ausweitung des Tourismusgeschäfts einzudämmen. Die geht nicht nur zu Lasten der Einheimischen, sondern auch der Umwelt. Wie viele Strände und Bergidyllen mussten in den vergangenen Jahrzehnten Hotelanlagen, Vergnügungsparks und Campingplätzen weichen? Wie viele Küstenregionen – nicht nur auf Mallorca – sehen inzwischen aus wie ein einziger großer Rummelplatz?

Ein Selfie gemacht und dann weg

Als in den 1960er Jahren der Tourismus Fahrt aufnahm, gab es etwa drei Milliarden Menschen auf der Erde, heute sind es mehr als acht. Zudem ist im Vergleich zu damals in den Industriestaaten der Wohlstand gewachsen. Immer mehr Menschen können sich Urlaube leisten. Das sei ihnen auch gegönnt. Die Branche frohlockt. So bricht zum Beispiel die Reiselust der Deutschen in diesem Jahr wieder einmal Rekorde. Die Kehrseite: Heute stolpert man an Orten, die einst als Geheimtipp galten, nur noch über Touristen. Das kroatische Dubrovnik zum Beispiel wird regelrecht überrannt, seit die Altstadt als Kulisse für „Game of Thrones“ diente. Dieses Schicksal teilt es mit dem österreichischen Hallstatt, wo die südkoreanische Netflix-Serie „Spring Waltz“ gedreht wurde. Tausende überschwemmen seither den kleinen Ort, nur um ein Selfie zu machen und es anschließend in den sozialen Medien zu posten.

Von Tagestouristen verlangt zum Beispiel Venedig inzwischen Eintritt, ebenso das Bergdorf Lauterbrunnen in der Schweiz. Berlin und Dublin haben ein Verbot gegen Zweckentfremdung von Wohnraum erlassen, um Airbnb-Vermietungen einzudämmen. Immer mehr Küstenorte und Inseln begrenzen die Anzahl der Kreuzfahrtschiffe, die ihre Häfen anfahren und dann Massen an Menschen auskippen, die die Orte regelrecht überschwemmen und häufig nichts konsumieren.

Andererseits sind viele Regionen inzwischen so stark vom Tourismus abhängig, dass Steuerungsmaßnahmen kaum noch möglich sind. Wie gefährlich eine solche Abhängigkeit werden kann, hat sich während der Covid-Pandemie gezeigt, als plötzlich alle Einkünfte wegbrachen.

So klappt es auch mit den Einheimischen

Zum Schnäppchenpreis mehrmals im Jahr nach Spanien, in die Türkei oder sonstwohin fliegen – muss das wirklich sein? Erholung vom Alltag ist wichtig, kein Zweifel. Und es soll auch niemandem der wohlverdiente Urlaub madig gemacht werden. Die Schlüsselfrage lautet, wie nachhaltig der Urlaub gestaltet wird. Weniger Flüge – das tut auch der Umwelt gut. Vielleicht nur einmal im Jahr weiter weg, dann reicht das Geld in der Regel auch, um auf Qualität zu achten. Nicht in die Bettenburgen der Tourismuszentren reisen – das schont zudem die eigenen Nerven. Und vor allem immer daran denken, dass man Gast ist, und sich auch als solcher benehmen. Dann klappt es in der Regel auch mit den Einheimischen.

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