Deutsch-türkische Beziehungen Treffen in Istanbul Scholz und Erdogan rücken enger zusammen

Haben einen guten Draht zueinander: Kanzler Scholz und der türkische Präsident Erdogan.
Haben einen guten Draht zueinander: Kanzler Scholz und der türkische Präsident Erdogan.

Kanzler Olaf Scholz hat mit dem türkischen Präsidenten Erdogan einen Neuanfang in den Beziehungen beider Länder vereinbart. Differenzen beim Nahost-Konflikt werden ausgeklammert.

Es war das achte persönliche Treffen von Scholz und Erdogan seit dem Amtsantritt des Kanzlers vor knapp drei Jahren. Die beiden Politiker kommen in Gesprächen gut miteinander aus, wie es von deutscher Seite hieß. Das war auch bei der Pressekonferenz nach der Unterredung am Samstag in Istanbul zu spüren: Selbst Erdogans Kritik an der Islamfeindlichkeit in Europa, die er bei allen Beratungen mit westlichen Politikern anbringt, fiel relativ sanft aus. Anders als bei früheren Begegnungen spielte die Lage von Menschenrechten und Rechtsstaat in der Türkei diesmal keine Rolle.

Die Bundesregierung will nach den Worten von Scholz in allen Politikfeldern enger mit der Türkei ins Gespräch kommen. So will der Kanzler die deutsch-türkischen Regierungskonsultationen neu beleben, die erst einmal stattgefunden haben. Zu den angestrebten intensiveren Kontakten gehören auch Gespräche über den Rüstungssektor. Die Türkei will 40 Eurofighter für mehrere Milliarden Euro kaufen, doch Deutschland sträubte sich lange gegen den Export des europäischen Gemeinschaftsprodukts an Ankara. Nun sagte Scholz, Waffenlieferungen an den Nato-Partner seien „selbstverständlich“.

Achterbahnfahrt geht weiter

Der beginnende Wahlkampf in Deutschland sei ein wichtiger Faktor bei der Annäherung, sagt die Politologin Ebru Turhan von der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul: „Das Treffen läutet eine neue Harmonie in den Beziehungen ein, die lange gestört waren“, sagte Turhan. Scholz und die SPD setzten „zunehmend auf eine harte Migrationspolitik“. Für rasche Abschiebungen brauche Scholz die Türkei.

Auch Erdogan hofft auf innenpolitische Vorteile, sagt der Türkei-Experte Hüseyin Cicek von der Universität Wien. Das in Istanbul genannte Ziel, den deutsch-türkischen Handelsaustausch auf 60 Milliarden Euro im Jahr zu steigern, helfe Erdogan, weil die Wirtschaftskrise für viele Türken das wichtigste Problem sei. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland suggeriere Erdogans Wählern, dass der Präsident „ausschließlich auf verlässliche Kooperationspartner wie Deutschland“ setze, sagte Cicek.

Um die Gemeinsamkeiten nicht zu gefährden, verzichteten Scholz und Erdogan auf rhetorische Eskalationen. Der türkische Präsident forderte erneut Reisefreiheit für seine Bürger in Europa. Scholz versprach im Gegenzug, alles zu tun, damit Visaanträge aus der Türkei schneller verarbeitet werden können. Auch beim Streitthema Nahost hielten sich beide zurück. So ging Scholz nicht darauf ein, dass Erdogan seinen Völkermordvorwurf an Israel bekräftigte.

Das Stillhalteabkommen beim Thema Nahost ist aber nach Einschätzung Turhans nicht viel wert. Denn Meinungsverschiedenheiten gebe es auch bei anderen Themen wie der Lage im östlichen Mittelmeerraum, den Beziehungen der Türkei zu Zypern und Griechenland sowie der Lage in Syrien, Libyen und im Kaukasus. Auch Türkei-Experte Cicek sieht Probleme für die „neue Harmonie“ voraus. Erdogan werde von einer engeren Kooperation mit Deutschland und Europa profitieren, „da er weiterhin militärisch über die Grenzen der Türkei hinaus agieren kann und dabei von seinen europäischen Partnern nur wenig Kritik zu erwarten hat“. Turhan erwartet deshalb, dass die deutsch-türkischen Beziehungen turbulent bleiben: „Die Achterbahnfahrt der letzten Jahre wird weitergehen.“ Kommentar

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