Meinung TV-Duell Biden-Trump: Wehrlos im Ring

Der TV-Auftritt von Joe Biden geriet zum Desaster für den US-Präsidenten.
Der TV-Auftritt von Joe Biden geriet zum Desaster für den US-Präsidenten.

US-Präsident Biden wollte mit einem frühen TV-Duell Zweifel an seiner Tatkraft und geistigen Fitness zerstreuen. Das Ergebnis: ein Desaster. Die Demokraten brauchen nun dringend einen Notfallplan ohne Tabus.

Erst kam das Erschrecken. Dann das Mitleid. Am Ende blieb bei vielen linksliberalen Zuschauern in den USA nur Panik zurück. Neunzig quälend lange Minuten hatten sie einer TV-Debatte zugesehen, die sich wie ein desaströser Zeitlupen-Crash anfühlte. Joe Biden, der mächtigste Mann der Welt, wirkte wie ein Boxer, der wehrlos durch den Ring taumelt. Man zitterte, dass ihn der nächste Schlag nicht allzu hart treffen möge.

Es hilft kein Drumherumreden, auch kein Verweis auf eine Erkältung, die den Präsidenten schwächte: Dieses Fernsehduell mit seinem Herausforderer Donald Trump war eine Katastrophe für Joe Biden. Der Demokrat und seine Berater hatten es unbedingt gewollt, um die Tatkraft und geistige Vitalität des 81-Jährigen unter Beweis zu stellen. Erreicht haben sie das Gegenteil. „Er ist nur drei Jahre jünger als ich“, sagte Biden am Ende über Donald Trump. Während der Sendung schienen eher 30 Jahre zwischen den Kontrahenten zu liegen.

Heiser und nuschelig

Mit wächsernem Gesicht und leerem Blick hatte Biden das Podium im CNN-Studio in Atlanta betreten. Seine Stimme klang heiser und nuschelig, sein Bewegungsablauf wirkte verlangsamt. Schon nach zehn Minuten verlor er bei einer Antwort komplett den Faden. Kurz darauf gingen Millionen, Milliarden und Billionen wild durcheinander. Immer wieder verhaspelte er sich.

Auch inhaltlich geriet der Präsident rasch in die Defensive. Er schaffte es weder, seine Steuerpläne vernünftig zu erklären, noch seinen Gegner an dessen wundestem Punkt zu stellen: dem Streit über das Abtreibungsrecht. Trump hingegen war gut aufgeräumt und einigermaßen beherrscht. Rasch zog er die Gesprächsführung an sich und fabulierte, was er wollte.

Im Fernsehstudio schien sich die Welt zu verkehren. „Dieser Mann ist ein Krimineller“, wetterte der verurteilte Straftäter Trump über Biden. Und: „Er ist ein Lügner.“ Dabei konnte der Möchtegern-Diktator unwidersprochen vor einem gewaltigen Millionenpublikum einen regelrechten Lügen-Tsunami entfachen: über den Putschversuch vom Januar 2021, die Migranten an der Südgrenze der USA (die er pauschal als Schwerkriminelle diffamierte) und selbst seine persönliche Geschichte („Ich hatte nie Sex mit einem Porno-Star“).

Notfallplan ohne Tabus

Bei den Wählern zählt in der amerikanischen Mediengesellschaft die Performance mindestens so viel wie die Substanz. Nach diesem alarmierenden Abend kann man sich nicht vorstellen, wie Biden die Stimmung in den verbleibenden vier Monaten bis zur Wahl noch drehen will.

Die Lage der US-Demokraten ist fatal: Eigentlich ist es zu spät, ihren Kandidaten für das Weiße Haus noch auszutauschen. Das ginge leichter, wenn Biden verzichten würde. Doch der Mann, der sein ganzes Leben in der Politik verbracht hat, will nicht lockerlassen.

Die Debatte, die eigentlich ein Befreiungsschlag für Biden sein sollte, hat dessen Partei in eine schwere Krise gestürzt. Die Gefahren eines Wahlsiegs von Trump sind enorm. Deshalb ist es höchste Zeit für einen Notfallplan ohne Tabus, um den drohenden Wahlsieg von Donald Trump zu verhindern. Die Rettung der amerikanischen Demokratie darf nicht am Ego einzelner Personen scheitern – auch wenn es sich um den Präsidenten oder die Vizepräsidentin handelt.

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