Politik Ursula von der Leyen kritisiert Donald Trump

20 Regierungschefs, 80 Außen- und Verteidigungsminister, der UN-Generalsekretär, der Nato-Generalsekretär, mehrere hundert Experten der Sicherheitspolitik aus aller Welt, vornehmlich aber aus Europa, den USA und dem Nahen Osten: Bei der Münchner Sicherheitskonferenz wird über die Weltlage diskutiert und hinter den Kulissen auch verhandelt. Zum Auftakt warben gestern zwei Frauen mit kraftvollen Worten für ein selbstbewusstes und handlungsstarkes Europa – die deutsche und die französische Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen und Florence Parly.

Europa, das ist ein Wort, das mit Träumen aufgeladen ist“, sagt Florence Parly und lässt keinen Zweifel daran, dass sie nach München gekommen ist, um die Europa-Vision ihres charismatischen Chefs, Präsident Emmanuel Macron, mit Verve zu vertreten. „Die Stunde des Erwachens hat geschlagen“, sagt die französische Verteidigungsministerin mit Pathos und nennt stolz die Budgetpläne, die Frankreichs Regierung just verkündet hat: 300 Milliarden Euro für militärische Erneuerung will die Grande Nation bis 2025 ausgeben. Mit solchen Summen kann die deutsche Kollegin nicht dienen, aber auch Ursula von der Leyen lässt keinen Zweifel daran, dass sie in einer Regierung arbeitet (und künftig arbeiten will), die wie Frankreich viel mehr Europa wagen will. „Europa muss mehr Tempo aufnehmen“, appelliert die CDU-Politikerin in der Konferenzhalle des Hotels Bayerischer Hof, wo sie nun schon seit 2014 alljährlich auftritt. Apropos 2014: Damals hielt Bundespräsident Joachim Gauck an selber Stelle jene Ansprache, die „mehr Verantwortung“ für Deutschland in der Welt propagierte. Gaucks Definition von Deutschland als „gutem Partner, der sich früher, entschiedener und substanzieller einbringt“, ist seither Leitmotiv aller außenpolitischen Einlassungen deutscher Regierungspolitiker. Bei von der Leyen 2018 hört sich das so an: In Europa habe man den gemeinsamen Willen „militärisches Gewicht auch einzubringen“. „Ein Europa, das schützt“, zitiert die deutsche Ministerin eine Parole Macrons. Mehr Verantwortung – das haben vor allem die USA seit den 90er Jahren immer wieder von der Bundesrepublik verlangt. Ironischerweise bekommen sie das nun, und es ist trotzdem nicht recht. US-Verteidigungsminister James Mattis, der auch in München weilt, hat die EU sogar ermahnt. Beim Nato-Verteidigungsministertreffen diese Woche forderte er, die EU müsse schriftlich versichern, dass nach wie vor die Nato für kollektive Sicherheit in Europa zuständig sei. Im Nachsatz wurde deutlich, worum es Washington wirklich geht, wenn es die im Dezember von der EU aus der Taufe gehobene Verteidigungsunion kritisch sieht: Die Europäer könnten sich von der US-Rüstungsindustrie unabhängiger machen. Wettbewerbsnachteile werden befürchtet. „Amerika first“ ja, aber „Europa first“ geht nicht? Von der Leyen wie auch Parly geben sich Mühe, die „Sorgen“ der Amerikaner gleich zu entkräften. Alles solle natürlich eng mit der Nato abgestimmt bleiben. Aber dann wird sogar noch mal nachgelegt: Von der Leyen ermahnt die Amerikaner, dass es deren „kostbare Verpflichtung“ sei, nicht nur militärisch Außenpolitik zu machen, sondern sich wie die Europäer auch an Entwicklungsarbeit in Krisengebieten zu beteiligen. Das tun sie freilich. Sie bleiben mit Abstand größter Geber in Ländern wie Irak oder Jordanien. Aber US-Präsident Donald Trumps angekündigten Rückzug aus der Verantwortung prangert die deutsche Ministerin unverblümt an: Es sorge sie, „wenn bei manchen Partnern die Mittel für Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit oder die Vereinten Nationen immer weiter zurückgefahren werden“. Ein Thema lässt von der Leyen indes aus: Nuklearwaffen. Die neue US-Atomstrategie sieht die Entwicklung kleinerer Atombomben vor, die mutmaßlich auch in Europa stationiert werden sollen, denn die USA begründen ihre Pläne mit den Investitionen Russlands in Nukleartechnik. Das Thema soll heute in München einen Schwerpunkt bilden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow wird sicher darauf mit der ihm eigenen rhetorischen Schärfe eingehen. Kommentar

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