Meinung Urteil zum Wahlrecht: XXL-Parlament ade!

Das bleibt unverändert: Die Wähler haben bei der Bundestagswahl jeweils zwei Stimmen – eine für den Wahkreiskandiaten, eine für
Das bleibt unverändert: Die Wähler haben bei der Bundestagswahl jeweils zwei Stimmen – eine für den Wahkreiskandiaten, eine für die Parteiliste.

Der Bundestag wird kleiner und hat künftig eine feste Größe. Doch das von der Ampel veränderte Gesetz hat einen Schönheitsfehler.

In einem früheren Urteil bezeichnete das Bundesverfassungsgericht das deutsche Wahlrecht einmal als „eigenartig“. Das stimmt im Wortsinn, denn die Verbindung von Verhältniswahl (Stimme für Parteiliste) und Mehrheitswahl (Stimme für den Wahlkreiskandidaten) ist ungewöhnlich und birgt Probleme. Was die Väter und Mütter des Wahlrechts nicht ahnten, ist seit einem guten Jahrzehnt sichtbar: Wenn einstmals große Volksparteien in der Wählergunst schwächeln und weniger Zweitstimmen bekommen als früher, aber gleichzeitig fast alle Wahlkreise für sich gewinnen, entsteht ein Ungleichgewicht. Dann übersteigt die Anzahl der jeweils errungenen Direktmandate das für die Stärke der Parteien im Parlament maßgebliche Zweitstimmenergebnis – es entstehen Überhangmandate. Um das Stärkeverhältnis der Parteien untereinander wieder ins Lot zu bringen, werden anderen Parteien Ausgleichsmandate zugestanden. Und das ist das Problem.

Bei der jüngsten Bundestagswahl gab es 34 Überhangmandate, die weitere 104 Ausgleichsmandate auslösten. Dieses System ist auf Dauer nicht tragbar. 733 Abgeordnete gibt es in dieser Wahlperiode; die gesetzlich vorgesehene Normgröße von 598 ist damit weit überschritten.

Das Problem sind die Überhangmandate

Es geht also darum, Überhangmandate zu vermeiden. Doch eine Ideallösung gibt es nicht, das haben alle bisherigen Anläufe gezeigt. Die von der Ampel im Alleingang vorgelegte Novellierung wurde von Karlsruhe im Großen und Ganzen bestätigt. Das ist ein Erfolg.

Das neue Wahlrecht ist radikal. Es schafft die Überhangmandate und damit auch die Ausgleichsmandate ab. Der Bundestag kann nicht mehr zum XXL-Parlament aufgebläht werden – das markiert einen Wendepunkt. Der Preis für das geschrumpfte Parlament ist allerdings hoch. Denn es wird nicht jeder direkt gewählte Kandidat einen Sitz im Parlament erhalten. Unter Umständen ist das Kontingent an gewonnenen Mandaten laut Zweitstimmenergebnis aufgebraucht. Leer ausgehen würden jene Wahlkreissieger, die im Ranking der Erststimmenergebnisse am schlechtesten abschneiden.

Das Zweitstimmenergebnis ist maßgeblich

Dass es manchem Gewinner eines Wahlkreises verwehrt wird, in den Bundestag einzuziehen, nimmt der demokratischen Wahl im Wahlkreis die Verbindlichkeit. Doch die Karlsruher Richter stuften diese Einschränkung als hinnehmbar ein, weil für sie das Zweitstimmenergebnis als „Deckel“ maßgeblich ist. Die Parteien werden bei der Listenaufstellung diesen Schönheitsfehler der Reform bedenken und die gefährdeten Direktkandidaten absichern.

Auch in einer anderen Sache hat das Gericht klug entschieden. Verfassungsrechtler schüttelten den Kopf, als die Ampel in letzter Minute die Abschaffung der Grundmandatsklausel in ihre Wahlrechtsreform schrieb. Damit entfiele die Regelung, dass Parteien, die drei Direktmandate erringen, in den Bundestag einziehen können, auch wenn sie weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhielten. Theoretisch wäre so der Fall möglich, dass die CSU bei der Bundestagswahl in Bayern alle Direktmandate gewinnt und dennoch nicht in den Bundestag einzieht, weil sie bei den Zweitstimmen unter der Sperrklausel liegt. So weit wird es nun nicht kommen. Und das ist auch vernünftig.

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