Politik Verschwunden im saudischen Konsulat

Das rätselhafte Verschwinden eines saudischen Regimekritikers in Istanbul facht Spannungen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien an. Das türkische Außenamt bestellte jetzt den saudischen Botschafter ein, um ihn zum Verbleib des Exil-Journalisten Dschemal Kaschoggi zu befragen.

Kaschoggi war am Dienstag von einem Termin im saudischen Konsulat in Istanbul nicht zurückgekehrt – Freunde befürchten, dass er gegen seinen Willen nach Saudi-Arabien zurückgebracht werden soll. Der 59-Jährige war im vergangenen Jahr ins amerikanische Exil gegangen. Er hatte die Politik des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman kritisiert. Der Thronfolger – häufig nur MBS genannt – will das Königreich mit Hilfe wirtschaftlicher Reformen modernisieren, duldet jedoch keinen Widerspruch. Er hat sogar Gegner aus der Königsfamilie einsperren lassen. Kaschoggi kritisierte nicht nur das autokratische Verhalten des Prinzen und den von ihm verantworteten Krieg der Saudis in Jemen. Als Kolumnist der Zeitung „Washington Post“ befürwortete Kaschoggi kürzlich auch einen Dialog mit Vertretern des politischen Islam wie der Muslimbruderschaft. Diese Bewegung wird von Saudi-Arabien und Verbündeten wie Ägypten als extremistische Organisation verfolgt, von mit den Saudis rivalisierenden Staaten wie Katar und der Türkei aber unterstützt. Im Istanbuler Konsulat wollte Kaschoggi eine Bestätigung über die Scheidung von seiner Ehefrau abholen. Er will seine türkische Verlobte heiraten. Kaschoggi ahnte wohl, dass der Besuch im Konsulat riskant für ihn war: Vor seinem Termin gab er seiner Verlobten sein Handy und trug ihr auf, einen Vertrauten in der türkischen Regierungspartei AKP sowie bei einer Journalistenorganisation anzurufen, falls er nicht zurückkehren sollte. Sollte Kaschoggi von saudischen Vertretern aus dem Land geschafft werden, würde dies eine neue Eskalation im Vorgehen der saudischen Regierung gegen ihre Kritiker bedeuten: zudem wäre es eine zusätzliche Belastung für das gestörte Verhältnis zwischen Riad und Ankara. Die Türkei gewährt zum Entsetzen der Saudis wichtigen Vertretern der Muslimbruderschaft Unterschlupf und steht im Konflikt zwischen dem Emirat Katar und dem saudischen Königshaus auf Seiten Katars. Entführungen gehören zum politischen Repertoire der saudischen Führung. Vergangenes Jahr gab der libanesische Premier Saad al-Hariri überraschend von Saudi-Arabien aus seinen Rücktritt bekannt. Der Vorgang wurde nie ganz aufgeklärt, man muss aber davon ausgehen, dass er vom Königshaus festgehalten wurde. Erst nach mehreren Wochen und nach einem Zwischenstopp in Paris kehrte Hariri nach Hause zurück und widerrief seinen Rücktritt.

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