Meinung Vor der Amtsübergabe: Malu Dreyers Vermächtnis

Übergibt am Mittwoch ihr Amt als Ministerpräsidentin: Malu Dreyer.
Übergibt am Mittwoch ihr Amt als Ministerpräsidentin: Malu Dreyer.

Mit Empathie und Machtinstinkt hat Malu Dreyer (SPD) elf Jahre Rheinland-Pfalz geführt und die Verhältnisse geordnet. Alexander Schweitzer wird sich wohl inhaltlich stärker einbringen.

Die 33 Jahre währende Geschichte der SPD in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei wird an diesem Mittwoch mit einem neuen Kapitel fortgesetzt. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (63) übergibt den Staffelstab an ihren Nachfolger, den Sozialminister aus der Südpfalz, Alexander Schweitzer (50).

Im Abgang gelingt ihr ebenso ein Meisterstück wie ihrem Vorgänger Kurt Beck: ein perfekt eingefädelter, reibungsloser Übergang. Zwischen Ankündigung und Vollzug vergehen nur drei Wochen. SPD, Grüne und FDP feiern Dreyer und versammeln sich hinter Schweitzer. Der größte Teil der Opposition gratuliert artig und verabschiedet Dreyer freundlich. Keine Misstöne, kein Streit, kein Hauen und Stechen. Das ist Rheinland-Pfalz.

Unter Dreyer ist Harmonie, gerne als „Kuscheln“ verspottet, zum Regierungskulturgut aufgestiegen. Inhaltliche Konflikte im Ampelbündnis hat sie meist abgeräumt, bevor sie öffentlich wurden. Dreyer kann gut auf Menschen zugehen, sie kann unaufgeregt vermitteln und moderieren. Mit dieser Gabe feierte sie bundesweit Erfolge an der Spitze der SPD, die sie 2019 bewusst nur interimsweise führte.

Dabei unterschätzte niemand in Mainz Dreyers Machtbewusstsein und ihr Durchsetzungsvermögen. Ihre Härte stellte sie im November 2014 unter Beweis, als sie ihr Kabinett umbildete. Fünf von sechs SPD-geführten Ministerien waren betroffen. Selbst in die Fraktion regierte Dreyer hinein und setzte einen neuen, wortgewaltigen Fraktionschef an deren Spitze: Alexander Schweitzer.

Mit der Kabinettsumbildung befreite sich Dreyer vom geerbten Skandal um den Nürburgring. Sie ordnete die Verhältnisse. Von riskanten Infrastrukturprojekten hielt sie sich fern. Ihre Regierungserklärungen waren nie vollmundige Versprechungen. Im Gegenteil: Es blieb immer Luft nach oben. Das gilt auch für den Koalitionsvertrag von 2021. Dreyer griff nicht nach den Sternen, packte auch keine großen und konfliktträchtigen Vorhaben an, wie eine Kommunalreform. Gab es beim Thema Windkraft im Pfälzerwald Widerstand seitens der Unesco, wurde das Ziel schnell fallengelassen. Dreyer setzte jeweils um, was in der Regierungskonstellation und mit der Schuldenbremse machbar war, regierte in der Regel nicht in die Ministerien hinein. Ergab sich eine Gelegenheit, etwa durch den Erfolg des Impfstoffherstellers Biontech in Mainz, wurden die Pläne ambitionierter. So begann der Ausbau des Landes zum Biotechnologiestandort.

Die Ahrflut von 2021 hat Dreyer auch zuletzt oft als Zäsur bezeichnet. Die Folgenbewältigung und die parlamentarische Aufarbeitung machte das Regieren schwieriger. Dreyers Sympathiewerte sanken. Sie verlagerte sich noch mehr auf einen präsidialen Regierungsstil, beschwor mit gefühligen Wortschöpfungen wie „Zusammenland“ das gesellschaftliche Große und Ganze.

Unterm Strich steht das Land am Ende der Ära Dreyer solide da. Aber es gibt Baustellen. Das sozialdemokratische Bildungsversprechen, das auch ein Aufstiegsversprechen für Kinder mit schlechten Startchancen ist, wird zunehmend gebrochen. Viele Kitas und Schulen sind am Limit. In Kommunen wird die Finanznot für Bürger spürbar.

Mit Alexander Schweitzer kommt jemand, der als „Macher“ gilt, der Dinge in die Hand nimmt und der das Land kennt. Manche erhoffen sich, dass er Dinge anpackt, die Dreyer eher wegmoderiert hat. Bis zur nächsten Landtagswahl 2026 hat Schweitzer Zeit, sich zu beweisen. Danach zeigt sich, ob er die sozialdemokratische Erfolgsgeschichte weiterschreiben kann.

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