Politik „Wahre Macht ist Angst“

Wenn Bob Woodward etwas schreibt, dann bewegt das die US-Politik. Manchmal bis zur Erschütterung: Anfang der 70er Jahre deckte er zusammen mit Carl Bernstein als Reporter der „Washington Post“ die Watergate-Affäre auf. Jetzt legt der inzwischen 75-jährige Woodward mit „Furcht“ ein Buch über das Weiße Haus unter US-Präsident Donald Trump vor.

Am kommenden Dienstag erst wird der Wälzer erscheinen. Die „Washington Post“ hat aber bereits die brisantesten Passagen vorab publik gemacht. Auf 448 Seiten zeichnet Woodward die Skizze einer Machtzentrale, deren impulsiver Chef chaotische Entscheidungen trifft, während ihn alarmierte Kabinettsmitglieder irgendwie auszubremsen versuchen. „Fear“, deutsch „Furcht“, lautet der Titel des Buchs. Er gründet auf einem Interviewsatz, mit dem der Kandidat Trump im Wahlkampf umriss, wie er politische Macht versteht. „Wahre Macht, ich will das Wort gar nicht benutzen, ist Angst.“ Es hagelt schon Dementis vor der Buchveröffentlichung, Trump unterstellt dem legendären Chronisten, sich vor den Karren der Demokraten spannen zu lassen und Zitate erfunden zu haben. Was Woodward mit der Abgeklärtheit eines Altprofis kontert: Er habe auf Band aufgezeichnet, was ihm aktuelle und ehemalige Mitarbeiter der Regierung anvertrauten. Da ist James Mattis, der Verteidigungsminister, der am Telefon den Auftrag erhält, ein Mordkomplott gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad zu schmieden. „Lasst ihn uns verdammt noch mal töten!“, weist Trump den Ex-General an, nachdem Assads Regime im April 2017 ein weiteres Mal Chemiewaffen eingesetzt hatte. „Lasst uns reingehen. Lasst uns die ganze Bande töten.“ Mattis, so Woodward, habe nicht widersprochen, einem Vertrauten hinterher jedoch zu verstehen gegeben, dass man nichts dergleichen tun werde. „Wir werden sehr viel überlegter vorgehen“, soll er gesagt haben, bevor er das Militär einen begrenzten, eher symbolischen Raketenschlag gegen Syrien planen ließ. Um Schaden zu begrenzen, griffen Trumps Berater bisweilen zu ungewöhnlichen Mitteln. Gary Cohn etwa, einst Wall-Street-Banker, dann zuständig für die Wirtschaftspolitik des Weißen Hauses, ließ unterschriftsreife Papiere einfach vom Schreibtisch Trumps verschwinden, sodass sie nicht signiert werden konnten. Was beispielsweise das Aus für ein Freihandelsabkommen mit Südkorea verhinderte, einen Vertrag, den der Protektionist Trump aufkündigen wollte, obwohl er den Süden im Atompoker mit Nordkorea als Verbündeten brauchte. Cohn habe die entsprechende Direktive von der Schreibtischplatte genommen, schreibt Bob Woodward, und Trump habe nicht gemerkt, dass etwas fehlte. John Kelly, Trumps zweiter Stabschef, nennt seinen Vorgesetzten, hinter vorgehaltener Hand, versteht sich, einen Idioten. Das Weiße Haus, in Kellys Beschreibung ist es Crazytown. Ein Tollhaus. In Woodwards Erzählung benimmt sich der Hausherr zudem wie ein Tyrann. Völlig überraschend kommt das alles nicht. Schon Michael Wolff hat in „Fire and Fury“ das Porträt eines Mannes gemalt, der nichts liest und nichts dazulernen will, dafür aber Mitarbeiter gern seine Macht spüren lässt. Aber Woodward ist Woodward. Was er schreibt, hat Gewicht. Das Buch erscheint inmitten einer neuen Phase der Affäre um die Russland-Affäre. Sonderermittler Robert Mueller verhandelt mit dem Weißen Haus weiter darüber, den Präsidenten ins Verhör zu nehmen. Und wie nun herauskam, hat Trumps eigener Chefjurist mit Mueller ausführlicher gesprochen als dem überforderten US-Staatschef offenbar bewusst war.

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