Leitartikel Was das Hitlerattentat von 1944 uns heute mahnt

Plötzensee: Gedenkort für die Widerstandskämpfer des 20. Juki 1944.
Plötzensee: Gedenkort für die Widerstandskämpfer des 20. Juki 1944.

Das Stauffenberg-Attentat vor 80 Jahren sollte die Herrschaft der NSDAP beenden. Die Gründe dafür, dass Hitler überhaupt an die Macht kommen konnte, und die Parallelen zu heute sollten alle Alarmglocken schrillen lassen.

80 Jahre ist es her, da verübten Militärs um Claus Schenk Graf von Stauffenberg ein Attentat auf ihren obersten Befehlshaber. Und das mitten im Krieg. In einem Krieg, der ihrer Meinung nach nicht mehr zu gewinnen war und bei dem jeder Tag sinnloses Vergeuden von Menschenleben bedeutete. Der oberste Befehlshaber hieß damals Adolf Hitler. Und das Attentat schlug fehl, weil der Tisch, unter dem der mit Sprengstoff gefüllte Aktenkoffer stand, zu massiv war. Hitler überlebte und ließ die Verschwörer hinrichten.

In den Anfangsjahren der Bundesrepublik kreiste die Diskussion vor allem darum, warum das Attentat fehlschlug. Ob sich nicht einer der Verschwörer hätte opfern und sicherstellen sollen, dass der Koffer nahe genug bei Hitler stand. Das erscheint heute unerheblich. Eher drängt sich die prinzipielle Frage auf, warum es so weit gekommen war, dass eine verbrecherische Führung die Deutschen in einen Vernichtungskrieg ziehen konnte, der weltweit schätzungsweise 75 Millionen Menschen das Leben kostete.

Der 30. Januar 1933 wird immer noch als Tag der „Machtergreifung“ Hitlers bezeichnet. In Wirklichkeit war es jedoch eine Machtübergabe – die der konservativen Parteien und Eliten der Weimarer Republik und der Ewiggestrigen, die dem Kaiserreich nachtrauerten, an eine rechtsextreme, faschistische, heute würde man sagen: extrem populistische Partei unter der Führung Hitlers. Den glaubte man „zähmen“ zu können, wenn er erst an der Macht und mit den Realitäten der Regierungsverantwortung konfrontiert sei. Klingelt da was?

Parallelen zur Endphase der Weimarer Republik

Geschichte wiederholt sich nicht. Dazu sind Ursachen und Wirkungen zu vielschichtig. Aber es gibt Parallelen zwischen der Endphase der Weimarer Republik und heute, die bei allen Demokraten die Alarmglocken schrillen lassen müssten.

Da wäre neben der bereits genannten Hoffnung, eine extreme Partei werde sich in der Regierungsverantwortung „abschleifen“ und von anderen dirigierbar sein, auch die tiefgreifende gesellschaftliche Verunsicherung, die die Menschen damals umtrieb und heute wieder umtreibt. Die Welt ordnet sich neu, vermeintliche Gewissheiten werden erschüttert. Vor einem Jahrhundert war dies die Folge des Ersten Weltkrieges, heute unter anderem die von Ukraine- und Gazakrieg.

Modernisierungsängste – damals wie heute

Hinzu kommen Modernisierungsängste – das heißt, die Frage, ob man den schnellen Wandel der Zeit überhaupt verkraften kann. Was in den 1920er-Jahren durch einen immensen technischen Schub vorwärts, durch veränderte Arbeitsbedingungen und die Weltwirtschaftskrise ausgelöst wurde, hat heute seine Ursachen in einem von der Digitalisierung ausgelösten Umbruch in der Wirtschaft und vor allem in der Gesellschaft.

Die Konsequenz: Parteien, die vermeintlich einfache Lösungen bieten und eine komplizierte Welt auf ein bequemes Schwarz-Weiß-Schema reduzieren, erhalten erschreckend viel Zulauf. Vor allem, wenn dann noch der Grund allen Übels samt Sündenbock auf dem Silbertablett präsentiert wird! Am Ende erstarken die Parteien an den Rändern. Diejenigen, die wilde Versprechungen und radikale Forderungen bevorzugen und nicht den mühsamen, meist wenig geliebten Kompromiss.

Man kann aus der Geschichte lernen

Noch einmal: Geschichte wiederholt sich nicht. Aber man kann aus ihr lernen. Dann besteht die Chance, dass frühzeitig erkannt wird, wohin die Reise gehen könnte. Deshalb müssen alle aufwachen und begreifen, dass es sehr gefährlich ist, aus Protest Demokratieverächter und Menschenfeinde zu wählen. Das hat die deutsche Geschichte eindrücklich bewiesen. Am 20. Juli 1944 war es für eine Umkehr längst zu spät.

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