Sicherheitskonferenz Was die Münchner Sicherheitskonferenz mit dem Wurstmarkt zu tun hat

Die Hauptbühne der Sicherheitskonferenz ist im Hotel Bayerischer Hof. Aber für die Tagung wird ein ganzes Stadtviertel genutzt u
Die Hauptbühne der Sicherheitskonferenz ist im Hotel Bayerischer Hof. Aber für die Tagung wird ein ganzes Stadtviertel genutzt und abgesperrt.

Am Freitagmittag eröffnet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die inzwischen 56. Münchner Sicherheitskonferenz, kurz MSC. Sie dauert bis Sonntag. Erwartet werden unter anderem 35 Staats- und Regierungschefs sowie 100 Außen- und Verteidigungsminister aus aller Welt. Für die RHEINPFALZ berichtet seit 2014 Politikredakteur Ilja Tüchter über das jährliche Treffen in der bayerischen Landeshauptstadt. Hier sein Überblick zu den wichtigsten Fragen dazu.

Die „Pfälzer Weinstube“ in München.
München

Tag 1: Steinmeier spricht zum MSC-Auftakt

Wozu dient die Sicherheitskonferenz?

Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner.
Politik

Interview: Grünen-Außenexpertin Franziska Brantner zur Libyenkrise

Sie ist neben der UN-Vollversammlung im September das vielleicht breiteste Gesprächsforum für Außen- und Verteidigungspolitik in der Welt. Ihr Motto ist Frieden durch Dialog.

Es werden viele Reden gehalten, um die eigenen Positionen zu markieren. Dabei geht es um aktuelle Krisen wie in Syrien oder Libyen, aber auch um grundsätzliche Fragen der Machtbalance in der Welt. Leitthema 2020 ist die Sinnkrise westlicher Demokratien.

Mindestens so wichtig wie die Redebeiträge aber sind die persönlichen Kontakte am Rande der großen Bühne im Hotel Bayerischer Hof. Im vergangenen Jahr gab es binnen 48 Stunden 2500 bilaterale Treffen zwischen Politikern unterschiedlicher Staaten. Es finden 180 offizielle Nebenveranstaltungen zusätzlich zu den großen Redepodien statt.

Wie viel Dialog findet am Ende wirklich statt?

Nicht so viel, wie man sich das wünschen würde. Israel und Iran zum Beispiel sind immer vertreten. Aber sie treten nie gemeinsam in einer Veranstaltung auf. Ihre Reden sind sogar oft Abrechnungen, die mehr fürs Fernseh-Publikum in der Heimat gedacht sind als für die Konferenzteilnehmer. Aber immer wieder gelingt es in München, auch vertrackte politische Krisen ein Stück weit aufzulösen. In den vergangenen Jahren war das im Ukraine-Konflikt der Fall, als die Europäer zwischen Russen und Ukrainern vermittelten.

Warum kommt Donald Trump nicht?

Ein amtierender US-Präsident war noch nie bei der MSC, mutmaßlich auch, weil das ein zu großer logistischer Aufwand ist. Zudem war Trump gerade beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Aber es gab wiederholt Auftritte der US-Vizepräsidenten, zuletzt von Mike Pence 2019. Wie schon vergangenes Jahr werden auch diesmal Donald Trumps Tochter Ivanka und deren Mann Jared Kushner in München erwartet.

Was sind ansonsten einige der großen Namen in diesem Jahr?

Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kommen zum Beispiel Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi. Die US-Delegation ist wie in jedem Jahr besonders groß: Verteidigungsminister Mark Esper und Außenminister Mike Pompeo sind ebenso wie Parlamentschefin Nancy Pelosi mit von der Partie. Für die Bundesregierung sind unter anderem die Minister Annegret Kramp-Karrenbauer (Verteidigung) und Heiko Maas (Außenamt) angemeldet. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wird ebenfalls erwartet.

Ist das nur ein Politiker-Gipfel?

Nein, ganz und gar nicht. Auch die „Arbeitsebene“ der internationalen Beziehungen trifft sich hier. Geheimdienstchefs, Generäle und Ausschussvorsitzende in Parlamenten kommen ebenso wie Vertreter der Rüstungsindustrie und internationaler Organisationen wie Interpol oder den Vereinten Nationen.

Außerdem haben die Organisatoren die Konferenz in den vergangenen zehn Jahren auch thematisch enorm verbreitert. Es geht nicht nur um Krieg und Frieden, sondern um Sicherheitsfragen in jeder Beziehung: Klimawandel, Menschenrechte und Fake News sind zentrale Themen. Auch geografisch geht es längst nicht nur um die Großmächte. Die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, widmet sich seit Jahren Afrika mit einer eigenen Veranstaltung.

Auch Vertreter nichtstaatlicher internationaler Organisationen wie Human Rights Watch und von Denkfabriken werden eingeladen. Zudem treten Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft auf, 2019 war da zum Beispiel der Sänger Bono von U2. In diesem Jahr nimmt erstmals Mark Zuckerberg, der Gründer von Facebook, teil. Insgesamt werden mehr als 500 Entscheidungsträger als Konferenzteilnehmer erwartet.

Wie muss man sich die Atmosphäre der Konferenz vorstellen?

Einerseits sehr förmlich – alle laufen in Anzug, Kostüm oder auch Uniform herum. Zudem gibt es einen enormen Aufwand, um die etwa 400 Konferenzteilnehmer und 1100 Journalisten zu schützen. Ein ganzes Stadtviertel im Münchner Zentrum ist komplett abgesperrt. Nur vorab registrierte und von den Sicherheitsbehörden genehmigte Personen kommen durch die Schleusen, die in den Gebäuden aussehen wie in einem Flughafen: Taschenkontrolle im Röntgengerät, Abtasten durch Securitypersonal und so weiter. Polizei, Anti-Terror-Einheiten und Bundeswehr sind im Dauereinsatz.

Andererseits geht es im Hotel Bayerischer Hof und den umliegenden Gebäuden ein bisschen wie im Bienenstock zu: Auf engstem Raum herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Selbst bei den vom Menü und der Gästeliste her exklusiven Mittag- und Abendessen sitzt man so eng wie sonst nur die Pfälzer im Schubkarchstand auf dem Dürkheimer Wurstmarkt. A propos Schubkarchstand und Menü: Im Hotel Bayerischer Hof werden traditionell Pfälzer Spitzenweine ausgeschenkt.

Und viele Teilnehmer kommen Jahr für Jahr. Man kennt sich, plauscht auch mal privat.

Was macht dieser Ausnahmezustand mit München?

Die Münchner haben ein zwiespältiges Verhältnis zur MSC. Einerseits müssen sie mehrere Tage mit Sperrungen, vollen Hotels und Restaurants zurecht kommen. Denn neben den Politikern und anderen Gästen kommen auch deren Mitarbeiterstäbe, also Tausende Menschen. Aber die Organisatoren bieten eine ganze Reihe von Veranstaltungen an, bei denen auch normale Bürger (nach vorheriger Online-Anmeldung) die prominenten Redner erleben können. So tritt am Freitagmorgen der kanadische Premier Justin Trudeau im Literaturhaus auf. Vergangenes Jahr kam Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright – der Saal war überbucht, es gab eine lange Warteliste. Der Bayerische Rundfunk überträgt große Teile der Konferenz, auch im Internet wird die MSC großen Eindruck machen. 2019 gab es zur Konferenz 11,5 Millionen Beiträge auf Social Media wie Twitter und Facebook.

Wer organisiert die MSC eigentlich?

Die Konferenz wird von einer Stiftung getragen. Chef ist seit 2008 der inzwischen 73-jährige deutsche Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger, der unter anderem Botschafter in Washington war. Sein Vorgänger war der frühere außenpolitische Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl, Horst Teltschik. Die Bundesregierung, das Land Bayern, aber auch zahlreiche Firmen sponsern das Ereignis, das übrigens nur der Höhepunkt in einer Reihe von MSC-Veranstaltungen ist: Neben der Hauptkonferenz, die seit 1963 immer im Februar in München stattfindet, gibt es im Laufe des Jahres unterschiedliche kleinere Treffen in aller Welt. Auch gibt es eine Nachwuchsveranstaltung, zu der die Körber-Stiftung junge aufstrebende Außenpolitik-Experten aus aller Welt einlädt. Sie dürfen beim MSC an diesem Wochenende ebenfalls im Hauptsaal dabei sein.

Der Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger leitet die Sicherheitskonferenz seit 2008.
Der Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger leitet die Sicherheitskonferenz seit 2008.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet die Sicherheitskonferenz am Freitagmittag.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet die Sicherheitskonferenz am Freitagmittag.
Der US-Präsident kommt nicht nach München, dafür aber wie 2019 seine Tochter Ivanka und deren Mann Jared Kushner, der Trumps Spi
Der US-Präsident kommt nicht nach München, dafür aber wie 2019 seine Tochter Ivanka und deren Mann Jared Kushner, der Trumps Spitzenberater ist.
Die Friedensbewegung demonstriert alljährlich gegen die Sicherheitskonferenz, weil an ihr auch die Rüstungsindustrie beteiligt i
Die Friedensbewegung demonstriert alljährlich gegen die Sicherheitskonferenz, weil an ihr auch die Rüstungsindustrie beteiligt ist und Herrschern von undemokratischen Staaten eine Bühne gegeben wird.
Für die Sicherheitskonferenz gilt die höchste Sicherheitsstufe. Nur vorab genehmigte Personen kommen durch die Polizeisperren.
Für die Sicherheitskonferenz gilt die höchste Sicherheitsstufe. Nur vorab genehmigte Personen kommen durch die Polizeisperren.
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