UN-Gipfel Was Vanille-Eis mit Naturschutz zu tun hat
2022 hatten sich in Montreal 200 Staaten unter anderem verpflichtet, mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Im kolumbianischen Cali ging es jetzt um die konkrete Umsetzung. Die Naturschutzorganisation WWF sprach von einer Blamage. Das von Freitag auf Samstag verlängerte Treffen sei abrupt ab- beziehungsweise unterbrochen worden, weil viele Delegierte abgereist waren. Sie wollten ihre gebuchten Flüge bekommen.
Keinen Beschluss gibt es deshalb über die Summe für den Erhalt der weltweiten Artenvielfalt. Keine Einigung auch über den Mechanismus, über den das Geld fließen soll. Die Länder des globalen Südens forderten einen neuen Fonds für Artenvielfalt, bei dem sie mehr Mitspracherecht haben. Die Industriestaaten, darunter auch die Europäische Union, plädierten hingegen für einen bereits seit den 1990er Jahren bestehenden Fonds, der bei der Weltbank angesiedelt ist. Dort haben die Industriestaaten das Sagen.
In Industrieländern viel Natur zerstört
Der finanzielle Bedarf für den Erhalt der Artenvielfalt war in Montreal auf 700 Milliarden Dollar geschätzt worden. Es geht darum, dass die reichen Industrieländer, die schon viel von ihrer Natur zerstört haben, die ärmeren Länder dabei unterstützen, ihre noch intakten Ökosysteme zu erhalten. 20 Milliarden Dollar sollen die Industrieländer ab 2025 jährlich an den globalen Süden zahlen – eigentlich. Hinter den vielen Textpassagen und Verhandlungsklammern, über die in Kolumbien gestritten wurde, stehen in realen Welt der Wert der Natur und ihrer Leistungen, die sie auch für die Menschen erbringt.
Intakte Ökosysteme liefern sauberes Wasser. Fruchtbare Böden, die nicht durch Pestizide ausgelaugt sind, tragen zur Ernährungssicherung bei. Auch stammen aus der Natur viele Rohstoffe auch der Industrie. Eine intakte Natur sorgt zudem für Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten – Pandemien entstehen nicht zuletzt dadurch, dass Viren aufgrund des Vordringens von Menschen in bislang abgelegene Regionen (insbesondere in den Tropen) „freigesetzt“ werden und auf den Menschen überspringen können.
Fortsetzung folgt
Experten warnen: All das stehe auf dem Spiel, wenn das Weltnaturabkommen nicht umgesetzt wird. Die Gipfelleitung in Cali betonte denn auch, die Konferenz sei in diesem Punkt nur unterbrochen und werde an anderer Stelle fortgesetzt.
Laut Kolumbiens Umweltministerin Susana Muhamad verständigten sich die Delegierten zumindest darauf, dass die Pharma- und Kosmetikindustrie, die genetische Daten von Pflanzen und Tieren aus Entwicklungsländern etwa bei der Herstellung von Medikamenten oder Kosmetika nutzt, künftig 0,1 Prozent ihres Umsatzes oder ein Prozent ihres Gewinns in einen Fonds einzahlen sollen. Ein Beispiel für die Nutzung von Gendaten ist der Einsatz von weiterverarbeiteter Vanille für Speiseeis. Das Vanille-Aroma stammt von der Gensequenz einer Pflanze ab, die ursprünglich nur mexikanischen Indigenen bekannt war. Die Mittel des Fonds sollen dann unter Aufsicht der Vereinten Nationen zur einen Hälfte an die Staaten gehen, in denen die Arten vorkommen und zur anderen Hälfte an die entsprechenden indigenen Völker, die dort leben. Die Einigung ist allerdings nicht bindend.
Am Freitag hatten sich die Gipfelteilnehmer aus 196 Ländern in einem ersten Durchbruch bereits auf die Gründung eines Gremiums geeinigt, das die Interessen der indigenen Völker im Rahmen der UN-Konvention über die biologische Vielfalt vertritt.