Theater in Russland Wegen Bühnenstück in Russland angeklagt

Wenn der Hammer fällt, kann das für die Angeklagten eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren bedeuten.
Wenn der Hammer fällt, kann das für die Angeklagten eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren bedeuten.

Zwei Theaterfauen müssen sich in Moskau vor Gericht verantworten, weil ihr Drama angeblich den Terrorismus des „Islamischen Staates“ rechtfertigt.

Die Heldin ist eine Närrin. Sie habe sich dem „Islamischen Staat“ angeschlossen, um zu kochen, zu waschen und Gattin zu sein, wie der Allmächtige ihr befohlen habe. Und um ihrem geliebten Mann Mäusespeck zu kochen.

Das Schauspiel „Finist Heller Falke“ erforscht ironisch, aber mit Mitgefühl, die Seelen junger Russinnen, die sich in den vergangenen Jahren zu Tausenden mit „Gotteskriegern“ verheirateten und der Terrororganisation IS anschlossen. Das angesehenste Theaterfestival Russlands, die „Goldene Maske“, zeichnete das Stück 2022 mit Preisen für den Text und die Kostüme aus.

Kritik am Patriarchat

Am Freitag aber wurden seine Macherinnen, die Regisseurin Jewgenia Berkowitsch und die Dramaturgin Swetlana Petrijtschuk, in Moskau einem Haftrichter vorgeführt. Gegen sie läuft ein Strafverfahren wegen „Rechtfertigung von Terrorismus“, das erste Strafverfahren im postsowjetischen Russland wegen eines Theaterstücks.

Das Drama mischt Elemente des russischen Volksmärchens vom Mädchen Marusja, das ihrem geliebten Helden Finist durch 27 Länder folgt, mit Protokollen realer Gerichtsprozesse gegen russische Islamisten-Frauen. Nach Ansicht der Kritiker propagiert die Aufführung zwar nicht Terrorismus, kritisiert aber das Patriarchat.

Theaterszene unter Beobachtung

Das hinderte zwei Aktivisten der antiwestlichen Gruppe NOD aber nicht daran, Finist im Mai 2021 auf einem Internetportal an den Pranger zu stellen: Es handle sich um ein „antirussisches“ Schauspiel. Es heroisiere die Islamisten und sei zudem ein Instrument des westlichen Informationskriegs gegen Russland. „Wir bitten die Rechtsschutzorgane, ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten“, lautete die Forderung.

Die Behörden reagierten mit zwei Jahren Verspätung auf diese Denunziation. Vermutlich auch deshalb, weil der russische Staatsapparat mittlerweile begonnen hatte, die Theaterszene von kritischen Aufführungen und unbequemen Figuren zu „säubern“.

Bis zu sieben Jahre Haft drohen

Auf der Bühne wird Marusja, die Heldin des dokumentarischen Märchens, am Ende als Helferin einer illegalen Vereinigung zu einem Jahr Haft verurteilt. Jewgenia Berkowitsch und Swetlana Petrijtschuk drohen in der Realität indes bis zu sieben Jahre Gefängnis. Wegen eines Theaterstücks. In dem Stück, das der Regisseur Wladimir Putin aufführen lässt, dürften sie wohl nicht die Einzigen bleiben.

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