Rheinland-Pfalz Das Kreuz mit dem Kreuz

Du sollst im ganzen Bayernland keine Behörde ohne Kreuz finden. So sprach der Herr Söder, und seit Freitag hängen die christlichen Symbole. Nichts konnte den bayerischen Ministerpräsidenten von seinem Erlass abbringen, nicht einmal die katholische Kirche. Dabei kann ein Streit um Kreuze den politischen Betrieb über Jahre erheblich stören, wie ein Beispiel aus Rheinland-Pfalz zeigt. 2006 ließ der damalige Präsident des Trierer Landgerichts, Wolfgang Krämer, nach dem Renovieren in sechs Sitzungssälen die ehemals dort angebrachten Kreuze nicht mehr aufhängen. Er begründete dies mit der Neutralität, zu der die Justiz als dritte Staatsgewalt verpflichtet sei. Die CDU trug ihre Empörung darüber bis in den Mainzer Landtag. Der Abgeordnete Michael Billen sprach von „bewusster Zerstörung unseres Wertefundamentes“. Die CDU solle keinen „Kulturkampf“ entfachen, entgegnete der damalige Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) und wies darauf hin, dass in der Pfalz keine Kreuze in Gerichtssälen hingen. Beck sagte im November 2006 im Landtag aber auch, dass er in Trier anders gehandelt hätte als Landgerichtspräsident Krämer. Das brachte einen Stein ins Rollen, am Ende wurde eine Lawine daraus. Krämer fiel in Ungnade und konnte nicht mehr Chef des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz werden. Dort war der Präsidentenstuhl verwaist, weil Beck Heinz-Georg Bamberger zum ersten SPD-Justizminister des Landes ernannt hatte. Die Personaldecke für diese hohen Richterämter ist dünn. Der Präsident des Landgerichts Koblenz, Hans Josef Graefen, schien geeignet, aber Bamberger wollte ihn nicht. Er war ihm politisch zu schwarz oder aus anderem Grund nicht genehm. So entschied er sich für den damaligen Chef des Landessozialgerichts, Ralf Bartz. Doch es bedurfte Hinterzimmergesprächen, um Mehrheiten für Bartz zu organisieren. Seine Ernennung ging am Ende so schnell, dass dem Konkurrenten Graefen der einstweilige Rechtsschutz nach zwei Instanzen abgeschnitten wurde. Wieder stritt der Landtag. 2010, vier Jahre nach dem Streit um die Kreuze, bescheinigte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Bamberger grobe Fehler bei der Besetzung, aber nur Bartz musste den Stuhl räumen. Die Lawine war noch nicht ganz unten: 2011 vereinbarten SPD und Grüne im Koalitionsvertrag die Fusion des OLG Koblenz mit dem Pfälzischen OLG in Zweibrücken – in der Westpfalz. Verkauft als Effizienzmaßnahme, war dies zugleich der letzte Versuch, Graefen vom Präsidentenstuhl fernzuhalten. Der Aufschrei in Koblenz war laut – und nicht immer fair. Ein Kommunalpolitiker aus dem Landesnorden zog den arroganten Vergleich mit einer möglichen Verlagerung des UN-Sitzes von New York nach Timbuktu. Die Fusionspläne verschwanden in der Schublade, Graefen wurde 2012 OLG-Präsident. Inzwischen ist er in Pension. Wolfgang Krämer, mit dessen Kruzifix-Entscheidung alles begann, ebenfalls. Heute hängen in manchen Trierer Gerichtssälen Kreuze, in anderen nicht. Und niemand regt sich auf.

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