Rheinland-Pfalz Der neue Speyerer Generalvikar Andreas Sturm übernimmt

„Herz und gute Nerven“ bringt Andreas Sturm für sein neues Amt mit.
»Herz und gute Nerven« bringt Andreas Sturm für sein neues Amt mit.

«Speyer». Am morgigen Sonntag, wenn der bisherige Speyerer Generalvikar Franz Jung in Würzburg zum Bischof geweiht wird, übernimmt offiziell sein Nachfolger Andreas Sturm dieses Amt. Den 43-Jährigen hat sich der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann als persönlichen Stellvertreter ausgesucht, weil er „der richtige Mann für das Amt des Generalvikars in dieser Stunde für unser Bistum ist“.

„Ich wünsche Euch und Ihnen einen schönen und gesegneten Sonntag.

Gott, ich möchte mich wandeln. Doch an einem einzigen Tag kann ich kein anderer Mensch werden...“ Bislang postet Andreas Sturm auf Facebook regelmäßig Gedanken zum Sonntag, gibt Anregungen zu Bibeltexten, lädt zu Gottesdiensten ein und teilt Medienartikel zum Thema Kirche, die er für lesenswert hält. Zwischen 1500 und 2000 Follower hat der Pfarrer bei Facebook. Die genaue Anzahl ist ihm nicht wichtig. Aber er merkt durch die Reaktionen, dass er viele Menschen erreicht, die nicht zu seiner Kerngemeinde gehören. Sturm nutzt die sozialen Medien. Wird er auch als Generalvikar in den sozialen Netzwerken weiter so aktiv sein? Ab und an, meint der Theologe. Aber irgendwie scheint er die Schere im Kopf schon zu spüren: „Manchmal überlege ich mir jetzt schon: Soll ich das posten oder teilen?“ Bisher habe er etwas als Pfarrer Andreas Sturm geschrieben, doch im Amt des Generalvikars könne manches ein anderes Gewicht bekommen. „Herz und gute Nerven“, das bringt der ehemalige Pfarrer von St. Ingbert mit für das neue Amt. Über die Frage nach der Selbsteinschätzung muss Sturm kurz nachdenken: „Ich sehe mich als Pfarrer nahe bei den Menschen, kann unterschiedliche Strömungen wahrnehmen, lasse mich auf keine Seite ziehen, sondern versuche Brücken zu bauen. Ich verurteile niemanden vorschnell oder stecke ihn oder sie in eine Schublade.“ Fähigkeiten, die ihm zugute kamen, als er vor mehr als drei Jahren die Pfarrei St. Ingbert im saarpfälzischen Teil des Bistums Speyer übernahm. Eine Pfarrei, bestehend aus sieben Gemeinden, in der er viel Streit vorfand. Heute sagt er: „Wir sind auf einem guten Weg“, nachdem die Gemeinden gemerkt hätten, dass mit dem Fusions- und Reformprozess Gemeindepastoral 2015 nicht ihre eigenen Traditionen einfach platt gemacht würden. Sturm weiß aber auch, dass vor allem bei der Frage der Gebäudereduzierung die Emotionen noch einmal hochkochen werden. Denn langfristig werde es nicht nur darum gehen, sich von Pfarrhäusern und Gemeindezentren zu trennen, sondern auch von Kirchengebäuden. Der neue Generalvikar nennt St. Ingbert ein gutes Lernfeld. Vor Ort betrachte man manche im Reformprozess gefassten Beschlüsse aus einer anderen Perspektive. „Ich bin für die Pfarrei-Erfahrungen sehr dankbar“, sagt er. Und die St. Ingberter Katholiken hoffen, dass einige ihrer Themen und Anregungen nun in Speyer Gehör finden. Denn der Reformprozess ist noch nicht zu Ende. Für Sturm geht es dabei um die bestimmende Frage: Wo brauchen uns Menschen? Als Beispiel nennt er die Obdachlosenküche in St. Ingbert. Vor Jahren bereits wurde der Bedarf erkannt. Heute bieten dort ehrenamtliche Helfer unter dem Dach der Caritas von montags bis freitags Menschen ohne Wohnsitz eine warme Mahlzeit. Beim Rückblick auf das, was sein Leben geprägt hat, bringt Sturm immer wieder Lernfelder und Menschen ins Spiel. Da ist der Jugendverband Katholische Junge Gemeinde (KJG), zu dem der in Gerolsheim bei Frankenthal aufgewachsene Sturm als Neunjähriger stieß. Noch gut im Gedächtnis sind ihm die Zeltlager mit teilweise 130 Kindern, Jugendlichen und Betreuern. Durch die Mitarbeit im Jugendverband habe er demokratisches Handeln und Selbstverwaltung einüben können. Dann ist da noch sein Heimatpfarrer Erhard Winter. Viele Jahre Missionar in Brasilien, kehrte der Franziskanerpater nach dem Tod seines Bruders und seiner Schwägerin nach Deutschland zurück, um deren Kinder großzuziehen. „Er hat mit einer Leidenschaft gepredigt, an die ich mich heute noch erinnere“, so Sturm. Winter habe sich für Gespräche immer viel Zeit genommen. Gleich nach dem Abitur begann Sturm 1994 mit dem Theologiestudium in Mainz. Zwei Freisemester verbrachte er an der Universität St. Paul im US-Bundesstaat Minnesota. „Ich wollte raus und einfach sehen, ob das wirklich mein Weg ist.“ Prägender als das Studium waren für Sturm nach eigenen Worten seine Aufenthalte und Erfahrungen in Taizé, einer internationalen Mönchsgemeinschaft in Burgund. Für sein ökumenisches Verständnis ein wichtiges Lernfeld. „Dort hab ich erstmals mit evangelischen Christen über deren Konfession geredet, dort wurde mein Katholischsein angefragt, hinterfragt. Aber nicht um sich gegenseitig abzuwerten, sondern um sich gegenseitig besser zu verstehen“, erklärt Sturm. Steht Taizé für Erfahrungen in der Ökumene, so ist Sturms sechsmonatiger Aufenthalt in einem großen jüdischen Krankenhaus in New York ein Lernfeld für den interreligiösen Dialog. Der Pfälzer absolvierte dort einen Kurs für Krankenhausseelsorge. „Meine Supervisorin war eine buddhistische Priesterin, im Kurs war neben vielen anderen eine angehende Rabbinerin.“ Eine Zeit, die er nicht missen möchte. Nach seinen Kaplanjahren in Landau war der Pfälzer geistlicher Leiter des Jugendverbandes KJG und Messdienerreferent, bevor er Diözesanjugendseelsorger wurde. Aus dieser Zeit wisse er, wie das Ordinariat tickt, sind ihm Abläufe in der Behörde vertraut. Und er habe Erfahrung, im Team zu arbeiten. „Das erleichtert manches“, sagt der Pfarrer. Abschalten kann Sturm am besten in der Natur. Einfach auf einer Bank sitzen und den Blick schweifen lassen oder spazierengehen – das mag er. Sein Fahrrad wird vielleicht in Speyer öfter zum Einsatz kommen. „Da ist es nicht so hügelig wie in St. Ingbert“, meint er schmunzelnd. Zeit, Bücher zu lesen, Konzerte zu besuchen oder sich mit Freunden zu treffen und für sie zu kochen, die wird er sich auch als Generalvikar nehmen. Und ab und an wird er seinen Facebook-„Freunden“ den ein oder anderen Gedanken mit auf den Weg geben.

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