Rheinland-Pfalz Der Unterschied

Das Alter ist oft schwer zu schätzen: als minderjährig eingestufte Flüchtlinge in einem Jugendhilfezentrum.
Das Alter ist oft schwer zu schätzen: als minderjährig eingestufte Flüchtlinge in einem Jugendhilfezentrum.

«MAINZ.»DIE RHEINPFALZ berichtete am 3. Januar, dass die Landesregierung keinen Überblick darüber hat, bei wie vielen der 658 neu nach Rheinland-Pfalz eingereisten Flüchtlingen Röntgen-Untersuchungen zur Altersbestimmung erfolgten. Einen Tag später startete das Integrationsministerium eine Abfrage bei den 41 Jugendämtern im Land. Das noch nicht ganz vollständige Ergebnis – von vier Jugendämtern liegen noch keine Angaben vor – präsentierte Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) gestern im Integrationsausschuss des Mainzer Landtages. Die bisherigen Rückmeldungen umfassen immerhin 509 der 658 nach eigenen Angaben minderjährigen Neuankömmlinge. Von diesen 509 Personen konnten nur 58 Jugendliche ihr Alter mit einem Ausweis dokumentieren. Das waren elf Prozent. Bei den übrigen 451 Flüchtlingen versuchten Mitarbeiter von Jugendämtern durch ausführliche Befragung und äußerliche Betrachtung – die „qualifizierte Inaugenscheinnahme“ – zu klären, ob die jungen Leute tatsächlich noch nicht 18 Jahre alt sind. Danach stand für die Fachleute in 72 Fällen fest, dass sie es mit einem Volljährigen zu tun hatten. Zusätzlich zu dieser Inaugenscheinnahme wurde noch bei sieben weiteren Flüchtlingen eine medizinische Untersuchung – in der Regel handelt es sich dabei um das Röntgen der Hand – vorgenommen. Eine solche Untersuchung hat laut Gesetz dann zu erfolgen, wenn nach der Inaugenscheinnahme Zweifel an ihrer Minderjährigkeit bleiben. Bei vier dieser sieben Flüchtlinge wurde auf diese Weise festgestellt, dass es sich in Wahrheit um volljährige Personen handelt. Durch Inaugenscheinnahme und medizinische Untersuchung wurde folglich im vergangenen Jahr bei knapp 17 Prozent der jungen Flüchtlinge ermittelt, dass sie entgegen ihren Behauptungen volljährig sind. Wohlgemerkt fehlen dabei noch die Angaben von vier Jugendämtern. Zum Vergleich: Aus dem Saarland liegen Zahlen für zwei Jahre, nämlich 2016 und 2017 vor. In diesem Zeitraum stellten sich 727 Flüchtlinge einer Altersbestimmung, zuvor hatten sich bereits 241 Personen aus dem Staub gemacht. Bei 528 dieser 727 Neuankömmlinge hatten die saarländischen Fachleute Zweifel an ihrer Behauptung, sie seien noch keine 18 Jahre alt. Und von diesen 528 geröntgten Flüchtlingen stellte sich bei 254 Personen – also bei fast der Hälfte – heraus, dass sie als volljährig einzustufen sind. Der erhebliche Unterschied zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saarland bei den als volljährigen eingeschätzten Flüchtlingen – hier 17 Prozent (im Jahr 2017), dort 48 Prozent (bezogen auf die beiden Jahren 2016 und 2017) – führte im Integrationsausschuss zu einer engagierten Debatte: Angesichts dieser Zahlen habe sie den Eindruck, „dass im Saarland genauer hingeschaut wird“, meinte die CDU-Abgeordnete Simone Huth-Haage. Rheinland-Pfalz sollte sich von jungen Flüchtlingen, die falsche Angaben zu ihrem Alter machen, „nicht vorführen lassen“. Ihr Parteifreund Adolf Kessel wies auf die erheblichen Kosten hin, die aufgrund der besseren Unterbringung und der intensiveren Betreuung für minderjährige Flüchtlinge anfallen. Diese Mehrkosten könnten gegenüber einem Erwachsenen im Jahr durchaus 40.000 Euro ausmachen. Was ein Zweifelsfall ist und was nicht, werde im Saarland und in Rheinland-Pfalz offensichtlich „komplett anders interpretiert“, lautete das Fazit des AfD-Abgeordneten Michael Frisch. Dabei halten sich das Saarland oder auch Hamburg an die gleichen bundesgesetzlichen Regelungen, wie sie auch für Rheinland-Pfalz gelten. Die Abgeordnete Huth-Haage plädierte dafür, das „saarländische Modell“ in Rheinland-Pfalz „konsequent umzusetzen“. Bei 90 Prozent der Flüchtlinge, die behaupten minderjährig zu sein, handele es sich um junge Männer. Erwachsene Flüchtlinge sollten nicht in Schulen geschickt werden, wo sie in Kontakt mit jungen Mädchen kommen. Wenn im Saarland fast die Hälfte der jungen Flüchtlinge entgegen ihren Angaben volljährig sind, sei es nur schwer vorstellbar, dass es in Rheinland-Pfalz nur so wenige sein sollen. Ihr Ziel sei es, dass die Jugendämter in Rheinland-Pfalz nur Minderjährige in ihre Obhut nehmen, betonte Ministerin Spiegel. Aufgabe der Jugendämter sei es, die bundesgesetzlichen Vorgaben umzusetzen. Danach ermitteln erfahrene Jugendamtsmitarbeiter das Alter in einem ersten Schritt mit der qualifizierten Inaugenscheinnahme. Bestehen Zweifel, ob eine Person tatsächlich minderjährig ist, schreibe das Gesetz zwingend in einem zweiten Schritt die medizinische Untersuchung vor. Sie verwahre sich gegen den Vorwurf, dass die Mitarbeiter der rheinland-pfälzischen Jugendämter bei der Altersbestimmung nicht genau hinsehen würden. Tatsache sei, dass es kein hundertprozentig valides Verfahren gebe. „Wir bedienen uns der Instrumente, die es gibt.“ Einwurf

Anne Spiegel
Anne Spiegel
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