Rheinland-Pfalz Dreyer: Flüchtlingsaufnahme läuft

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MAINZ (nob/kad). Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zeigte sich gestern in einer Regierungserklärung im Landtag überzeugt, dass Rheinland-Pfalz die Herausforderungen durch die Aufnahme zehn-tausender Asylsuchender bewältigen wird. Oppositionschefin Julia Klöckner (CDU) warf der rot-grünen Landesregierung dagegen in der Debatte vor, zu spät auf das Anschwellen des Flüchtlingsstroms reagiert zu haben.

Einig waren sich Regierung und Opposition in der fast vierstündigen Debatte in zwei Punkten: Zu der Aufnahme verfolgter und geschundener Menschen gebe es keine Alternative. Recht auf Asyl sei ein Menschrecht, sagte Klöckner. Sowohl die CDU-Chefin als auch Dreyer lobten das ehrenamtliche Engagement für die Flüchtlinge überall im Land. Es könnte sein, dass Rheinland-Pfalz am Jahresende in seinen Erstaufnahmeeinrichtungen bis zu 15.000 Menschen unterbringen müsse, sagte Dreyer. Zum Vergleich: Derzeit sind mehr als 8000 Flüchtlinge in der Erstaufnahme, im Jahr 2012 hatte das Land in diesen Einrichtungen gerade einmal 700 Plätze. Wie Dreyer weiter erklärte, hätten sich die Handwerkskammern gestern bereiterklärt, bis zu 400 Ausbildungs- und Praktikumsplätze für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Die Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt sei eine schwierige Aufgabe, aber auch eine Chance. Auch das Land werde 200 Praktikumsplätze und ebenso Ausbildungsplätze für junge Asylsuchende anbieten. Willkommenskultur alleine sei noch kein politisches Konzept, sagte Julia Klöckner. Sie warf der Landesregierung zahlreiche Versäumnisse vor. So sei die finanzielle Unterstützung der Kommunen durch das Land unzureichend. Rot-Grün habe mit zu wenig Personal auf den Ansturm von Flüchtlingen reagiert und weigere sich bis heute, einen Flüchtlingsgipfel einzuberufen, an dem alle Fraktionen des Landtags teilnehmen können. Nicht in allen, aber in vielen weiteren Punkten der Flüchtlingspolitik zeigten sich ebenfalls deutliche Meinungsunterschiede zwischen der rot-grünen Landesregierung und der CDU-Opposition. Einige Beispiele: Die Bürger machen sich Sorgen: Wird es Einschnitte für sie geben? Der Zustrom von Flüchtlingen sei eine Herausforderung, die alles Gewohnte übersteige, sagte die Ministerpräsidentin. Sie versprach den Bürgern: Niemand werde weniger haben, weil das Land Menschen in Not helfe. Ob bei Arbeitsplätzen, Wohnraum, Bildung oder sozialer Gerechtigkeit, es würden auch in Zukunft alle unterstützt, die es schwerer haben als andere, sagte die Regierungschefin. „Das wird sich nicht halten lassen“, entgegnete Julia Klöckner und sprach von einer „Beruhigungspille“ Dreyers. Sie mahnte auch, dass engagierte ehrenamtliche Helfer an ihre Belastungsgrenze kommen würden, wenn das Land nicht gegensteuere. Ist die Flüchtlingsaufnahme im Land gut organisiert? Dreyer verwies auf den „Führungsstab Fluchtaufnahme“, den sie bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier eingerichtet habe, um die Aufnahme zu koordinieren, zu organisieren und zu bündeln. Damit werde die Arbeit des von Irene Alt (Grüne) geleiteten Integrationsministeriums verstärkt. Auf den wachsenden Personalbedarf habe sie mit neuen Stellen reagiert, für die das Geld im Nachtragshaushalt bereitgestellt wurde. Klöckner dagegen kritisierte, die Weichen seien von Anfang an falsch gestellt worden. Dass Integration und Abschiebung in einer Hand seien, nämlich im Integrationsministerium, lasse „Kopf und Bauch“ miteinander ringen. So gehe viel Kraft verloren. Außerdem sitze Alt nicht in den entscheidenden Runden zur Integration auf Bundesebene, sondern Innenminister Roger Lewentz (SPD). Er aber habe im Land keine Verantwortung für das Thema. Was ist besser: freiwillige Rückkehr oder Abschiebung abgelehnter Asylbewerber? „Wenn jemand kein Recht hat, bei uns zu bleiben, muss der Aufenthalt zügig beendet werden, möglichst freiwillig, ansonsten zwangsweise“, sagte Dreyer. Sie verteidigte die Praxis der freiwilligen Rückkehr. Dies gehöre zum humanitären Umgang miteinander. Klöckner dagegen plädiert dafür, Menschen mit geringer Bleibeperspektive, also Flüchtlinge aus den Westbalkanstaaten, so lange in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu lassen, bis ihr Verfahren entschieden sei und von dort abzuschieben. Im Falle des Kosovo und Albaniens seien die Verfahren in weniger als drei Monaten entschieden. War die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) richtig, alle Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland zu lassen? Die Sozialdemokratin Dreyer sagte, sie kritisiere nicht die Haltung der Kanzlerin zur Aufnahme, dies sei auch ihre Haltung. Aber sie kritisierte, dass die Folgen der Entscheidung nicht ausreichend bedacht worden seien. Klöckner sagte, so richtig die Entscheidung gewesen sei, in einer humanitären Notlage die Grenzen zu öffnen, so richtig sei es gewesen, die Grenzkontrollen einzuführen. Was muss der Bund tun, um Land und Kommunen zu helfen? Dreyer plädierte für schnellere Asylverfahren durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer forderte, der Bund müsse sich nachhaltig, auskömmlich und dynamisch an den Kosten beteiligen. Klöckner äußerte sich zu möglichen Forderung an den Bund nicht. Sie verlangte lediglich mehr Geld des Landes für die Kommunen. Wie soll mit den Menschen umgegangen werden, über deren Asylanträge schon seit Jahren nicht entschieden wurde? Die Ministerpräsidentin positionierte sich nicht in dieser Frage. Dreyer sagte nur, dass sie sich für ein fünfjähriges Bleiberecht auf Bundesebene einsetzen wolle, um ausbildenden Betrieben eine Planungssicherheit zu geben. Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler dagegen warb für eine Stichtagsregelung, also für einen Aufenthaltsstatus für diejenigen, über deren Antrag nach einem bestimmten Zeitraum noch nicht entschieden sei. Klöckner kritisierte die fehlende Festlegung Dreyers und lehnte eine solche Regelung ab. Dies sei eine Einladung an Asylbewerber, auf Zeit zu setzen.

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