Rheinland-Pfalz Freie-Wähler: Rechtsruck, gekränkte Eitelkeit oder Rache?

Rücktritte angekündigt: der Landeschef der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid (Mitte), Schatzmeister Marco Degen (links), Vizevo
Rücktritte angekündigt: der Landeschef der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid (Mitte), Schatzmeister Marco Degen (links), Vizevorsitzender Herbert Drumm

Nachdem sich die Fraktion der Freien Wähler im Landtag durch den Austritt zweier Parlamentarier zu zerlegen droht, wird auch die Landespartei durchgeschüttelt. Der Vorsitzende Stephan Wefelscheid wirft hin und erklärt dies zur Haltungsfrage. Andere sehen im Verhalten Wefelscheids das Problem. Eine Option lässt er sich offen.

Den Raum habe er privat angemietet, versichert Stephan Wefelscheid, als er für Mittwoch zu einer Pressekonferenz ins „Esszimmer“, das Restaurant des Landtags, einlädt. Er will erklären, warum er sich als Vorsitzender der Freien Wähler (FW) im Land zum Jahresende zurückzieht – nach zehn Jahren an der Spitze.

Überraschend ist der Schritt nicht mehr. Im Landtag drohen die Freien Wähler am kommenden Dienstag ihren Fraktionsstatus zu verlieren, nachdem mit Herbert Drumm (75) und Bernhard Alscher (67) zwei von sechs Abgeordneten ihren Austritt erklärt haben. Die Mindestgröße einer Fraktion liegt bei fünf. Nur dann gibt es Räume und Geld, um Mitarbeiter zu bezahlen. Zehn sind es aktuell.

Drumm ist zugleich Vizevorsitzender der FW und begleitet Wefelscheid am Mittwoch, ebenso wie Marco Degen, der Schatzmeister. Beide ziehen sich ebenfalls zurück. Degen hält ein Plädoyer für den Landesvorsitzenden. Vorwürfe, Wefelscheid habe einen autoritären Führungsstil, weist er zurück. Wefelscheids Gegnern wirft er gekränkte Eitelkeit und Neid vor – und den Versuch, die Partei aus der Gesellschaftsmitte nach rechts zu verschieben. Fragen von Journalisten an Degen werden nicht zugelassen.

Wefelscheid (46) begründet seinen Rückzug mit dem Misstrauen, das ihm auf dem Landesparteitag in Kordel (Kreis Trier-Saarburg) am Wochenende entgegengebracht worden sei, und mit einem inhaltlichen Kurswechsel der Partei zugunsten des „sehr konservativen“ Flügels. Von „rechts“ wolle er nicht sprechen, wie er auf Nachfrage sagt.

Beim Parteitag am Wochenende hatten die Delegierten Wefelscheid als Tagungspräsidenten abgelehnt. Dazu sagt er: „Wenn man sieht, dass der eigene Generalsekretär Christian Zöpfchen auf dem Parteitag erklärt, dass darin ein Misstrauen der Delegierten zu sehen sei, der einen Sonderparteitag nötig mache, dann ist das ein Schlag in die Magengrube.“

Im Vorfeld gab es Streit um einen Antrag gegen das Hissen der Regenbogenflagge. Wefelscheid wollte ihn mit einem Verweis in die Ausschüsse quasi beerdigen. „Das ist eine Frage der Haltung“, sagt er. Gelungen ist es ihm nicht. Der Antrag wurde in veränderter Form beschlossen.

Seit zehn Jahren ist Wefelscheid Vorsitzender der Freien Wähler in Rheinland-Pfalz, lange war er im Bundesvorstand und Justiziar der Bundespartei. „Mein halbes Leben hängt an der Partei“, sagt er. Mit dem Bundesvorsitzenden Hubert Aiwanger hadert Wefelscheid schon länger. Unter ihm mache die Partei eine Metamorphose durch. „Sie erleben gerade eine Standortbestimmung.“

Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Stadtrat Kaiserslautern, Manfred Reeb, bestreitet im Gespräch mit der RHEINPFALZ, dass es einen Richtungsstreit zwischen Konservativen und Liberalen gibt. Es gebe eher das Lager „Wefelscheid versus Nichtwefelscheid“. Das wiederum hänge mit dessen „zunehmend autokratischem Auftreten“ zusammen. „Durch den Streit auf Landesebene sehen wir auch unser Engagement diffamiert“, sagt Kommunalpolitiker Reeb.

Unter Wefelscheids Führung und mit dem Spitzenkandidaten Joachim Streit (59) schafften es die Freien Wähler 2021 erstmals in den Landtag. Streit wechselte im Sommer ins Europaparlament. Wefelscheid scheiterte beim Versuch, Fraktionschef zu werden. Gewinner nach drei Wahlgängen war Helge Schwab (52) aus dem Kreis Kusel. Schwab sagt am Mittwoch, er werde nicht locker lassen, um die Fraktion doch noch zu retten. Er habe die Abtrünnigen zu einem Gespräch geladen, aber sie seien nicht gekommen. „Man hat mir weder die Möglichkeit gegeben zu reden noch zu arbeiten“, sagt Schwab. Alscher und Drumm hatten ihren Austritt mit einer Unzufriedenheit mit Schwab begründet und damit, dass der frühere Fraktionschef Streit noch bei der Wahl seines Nachfolgers mitgestimmt und dies nicht seinem Nachrücker Alscher überlassen hat. Hinter den Kulissen heißt es dagegen, Wefelscheid habe sie zum Austritt überredet, um damit Rache zu nehmen.

Joachim Streit wirft Alscher und Drumm parteischädigendes Verhalten vor. Sollten sie nicht in die Fraktion zurückkehren, müssten sie aus der Partei ausgeschlossen werden.

Wie es an der Parteispitze weitergeht, blieb zunächst unklar. Wefelscheid plädierte für einen Mitgliederparteitag. Eine erneute Kandidatur schloss er nicht aus, derzeit sei sie aber unwahrscheinlich, sagt er.

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