Verbraucher „Grannenjahr“: Gefahr am Wegesrand für Hunde
Hundebesitzerin Petra Groß aus Lebach hatte gleich ein ungutes Gefühl, als einer ihrer beiden Eurasier zu husten anfing. „Wenn das mal nicht eine Granne oder irgendein anderer Fremdkörper ist“, dachte sich die 54-Jährige, als ihre Hündin Kishu nach einem Ausflug in ein Getreidefeld immer wieder nachts hustete und würgte.
Grannen sind kleine, oft borstige Pflanzenteilchen, die sich an den Ähren verschiedener Getreidearten befinden. Und die – wenn sie von Hunden eingeatmet werden, ins Ohr gelangen oder sich in die Haut einbohren – schlimme Folgen haben können: Weil sie durch den Körper wandern, sich mit ihren Widerhaken festsetzen und gefährliche Entzündungen verursachen können.
Die Tierärztin, bei der Petra Groß zunächst Hilfe suchte, stellte zunächst jedoch eine andere Diagnose: Erst behandelte sie die vierjährige Hündin auf Zwingerhusten, dann – als das Antibiotikum nicht wirkte – tippte sie auf Lungenwürmer. Als sich auch dieser Verdacht nicht bestätigte, suchte Petra Groß die Tierklinik Elversberg auf. Dort wurde die Hündin, um Hals und Lunge untersuchen zu können, direkt in Narkose gelegt. „Ich habe wirklich gebetet und gehofft, dass sie etwas finden, damit ich beruhigt bin“, gibt die 54-Jährige zu. Und die Klinikärzte wurden tatsächlich fündig: Mit Hilfe eines Endoskops konnte eine komplette Getreideähre aus dem Bronchus des Tieres entfernt werden.
„Kein Einzelfall“, sagt Alexander Pack, einer der Leiter der Klinik. „Es ist nicht selten, dass Tierhalter mit einer mehrwöchigen Leidensgeschichte kommen und vorher nichts herausgekommen war.“ Mehr denn je seien einzelne Grannen oder wie im Fall von Kishu sogar eine komplette Ähre für die Beschwerden verantwortlich.
Nase, Rachen und Pfoten betroffen
2023 sei ein ausgesprochenes „Grannenjahr“: „Es scheinen gefühlt viel mehr davon im Umlauf zu sein“, sagt Pack. Er vermutet, dass dies an dem heißen Frühsommer liege, die Ähren schneller abgetrocknet seien und sich die Grannen leichter lösten. Bislang habe man in der Tierklinik Elversberg in diesem Sommer schon mehr als 100 dieser pflanzlichen Fremdkörper entfernen müssen - so viel wie noch nie zuvor. „Das ist wirklich außergewöhnlich.“
Das Kleintierzentrum Arz in Saarbrücken macht in dieser Saison die gleichen Erfahrungen: „In diesem Jahr ist es besonders schlimm“, sagt Tierärztin Barbara Bost. Sie selbst habe die Grannen schon aus vielen verschiedenen Orten entfernen müssen: aus Nase und Ohr, Auge, Rachen und Pfoten.
Grannen können laut Pack im schlimmsten Fall sogar bis ins Gehirn wandern oder auch beim Einatmen von der Lunge bis in den Bauchraum, wo sie Entzündungen in der Lendenwirbelsäulenmuskulatur verursachen. Nur selten könnten sie auch aus der empfindlichen Nase oder dem Ohr ohne Narkose entfernt werden. Und je nachdem, wo sie sich dort mit ihren Widerhaken festgesteckt haben, sei es mit einer einzigen Sitzung nicht getan, da sie bei Blutungen nicht mehr entdeckt werden können.
Nicht auf leichte Schulter nehmen
Die Tiermediziner appellieren an die Hundehalter, bei Symptomen sensibel zu sein: „Immer wenn ein Hund im Gras oder Feld gespielt hat und danach auffällig niest oder hustet, ist das auf jeden Fall erst einmal ein Warnsignal“, sagt Pack. Komme dies nur einmal vor, müsse man nicht
sofort eine Praxis aufsuchen. „Aber wenn in der Folge regelmäßiger Nies- oder Hustenreiz auftritt, ist das sicherlich eine Sache, die abgeklärt werden muss.“ So oder so dürfte man diese Anzeichen nicht auf die leichte Schulter nehmen, „weil das Tier immer leidet“.
Ganz wichtig: Wer glaubt, dass sein Hund eine Granne im Ohr hat, sollte keinesfalls selbst Hand anlegen oder gar Ohrenreinigungsmittel verwenden. Das würde den Fremdkörper nur noch weiter in den Gehörgang spülen und das Entfernen noch mehr erschweren.
Hundehalter sollten ihre Tiere nach dem Spaziergang auf Grannen absuchen und auch die Haare zwischen den Zehen ausbürsten. „An allen anderen Stellen wie Nase und Ohr wird es schwierig“, räumt Pack ein.
Auch an Mauern und Bürgersteigen
Vermeiden lässt sich der Befall durch Grannen nicht: „Vorbeugend kann man wenig machen. Höchstens, die Hunde nicht auf ganz hohen Wiesen laufen zu lassen“, meint Barbara Bost. Aber auch in den Städten sei man vor den Grannen nicht gefeit: Selbst an Mauern und Bürgersteigen sind sie zu finden. Da reicht es manchmal schon, dass der Hund daran schnuppert oder sich auf einem Stückchen Wiese gewälzt hat.
Eurasier-Hündin Kishu geht es sei dem Eingriff wieder gut. „Wir hatten wirklich Glück im Unglück“, sagt Petra Groß. Im Gegensatz zum Australian Shepherd eine Freundin: Der hatte vor zwei Jahren eine Granne, die von der Pfote hoch ins Bein gewandert sei - und bis heute komme es immer wieder zu Entzündungen. Erst vor einer Woche hörte Petra Groß zudem von einem Hund, bei dem eine Granne einen Abszess tief im Rachenraum gebildet habe. „Bestimmt war es gut, dass ich das kurz vorher noch mitbekommen hatte“, sagt sie rückblickend. „So war ich bei Kishu entsprechend sensibilisiert.“