Rheinland-Pfalz München: Zu Besuch bei einem Pfälzer in Bayern

Seriös: Markus Rinderspacher im bayerischen Landtag.
Seriös: Markus Rinderspacher im bayerischen Landtag.

Markus Rinderspacher ist ein waschechter Pfälzer. Den gebürtigen Kaiserslauterer hat es aber nach München verschlagen. Mittlerweile sitzt er nicht nur im dortigen Landtag, sondern ist sogar seit 2009 Chef der SPD-Fraktion im bayerischen Parlament. Seiner Heimat fühlt er sich immer noch verbunden. Ein Besuch.

Rot. Wie könnte es auch anders sein im Zimmer eines SPD-Fraktionsvorsitzenden. Alles rot. Rote Sessel, rotes Sofa, rote Stühle. Das große Bild hinter dem Schreibtisch: modern, verschiedene Rot-Töne. Daneben stehen drei Fahnen: die bayerische, die deutsche und die europäische. Eine pfälzische fehlt. Aber auch ohne einen solchen Wimpel kommt Markus Rinderspacher ohne große Umschweife auf die Pfalz zu sprechen.

Dauerkarte für den Betze

Bis zu seinem 21. Lebensjahr hat er in Kaiserslautern gewohnt, vorher dort das Burggymnasium besucht, Wehrdienst geleistet und eine Banklehre absolviert. Der Vater spielte Fagott im Orchester des Pfalztheaters. Er selbst lernte Cello und musizierte im Schul- und im Stadtjugendorchester, engagierte sich bei der Schülerzeitung, spielte Hockey. Nicht zu vergessen: die Dauerkarte für den Betze, zunächst in der Westkurve, später dann auf der Südtribüne. „Ich habe allerbeste Erinnerungen an Lautre“, erzählt der 48-Jährige. Und zumindest im Gespräch mit dem Journalisten aus der Pfalz ist eindeutig zu hören, wo die sprachlichen Wurzeln des Sozialdemokraten liegen. Auch nach vielen Jahren in Bayern ist der westpfälzische Zungenschlag nicht zu verbergen. Nach München verschlug es ihn damals, weil hier nicht nur seine Schwester wohnte, sondern weil er an der Ludwig-Maximilians-Universität Politikwissenschaft studierte. Außerdem absolvierte er eine Weiterbildung in Medienmarketing an der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing. Das alles mit dem Ziel, Journalist zu werden. Schon als junger Mann ging es nach der Arbeit in einer Kaiserslauterer Bank ins nahe Studio von RPR1. Für den Radiosender berichtete er unter anderem über den FCK und regionale Themen aus der Westpfalz. Nach dem Studium in München schaffte er es, seinen Wunsch zu verwirklichen. Rinderspacher arbeitete als TV-Journalist bei dem Sender Pro 7. Dort war er unter anderem für Formate wie „taff“ oder „Galileo“ zuständig. Zwölf Jahre war er bei dem Sender tätig, zuletzt als stellvertretender Abteilungsleiter Infotainment, erzählt Rinderspacher.

Erst Journalist, dann Pfälzer Oppositionsführer

Sein politisches Engagement habe erst recht spät begonnen, meint der Westpfälzer. Er bezeichnet sich gar als „Spätzünder“. Gerade als Journalist habe er gezögert, sich parteipolitisch zu engagieren. Erst als klar gewesen sei, dass er keinen Polit-Journalismus betreiben werde, sei er in die SPD eingetreten. Mitte 30 war er da. Gerade einmal sechs Jahre später zog er für die Sozialdemokraten in den bayerischen Landtag ein. In einer parteiinternen Kampfabstimmung setzte sich Rinderspacher gegen einen alteingesessenen Ortsvereinsvorsitzenden durch und nutzte „die Gunst der Stunde“, um von Pro 7 ins Maximilianeum, den Sitz des bayerischen Landtags, zu wechseln. Das war Ende September 2008. Gerade einmal ein Jahr später wählten die Genossen den frischgebackenen und jüngsten Abgeordneten zu ihrem Fraktionsvorsitzenden. Wie kam die steile Karriere? „Ich saß in der hintersten Reihe“, erinnert sich Rinderspacher, „aber das hat mich nicht daran gehindert, vorlaut zu sein und mir von der CSU nichts gefallen zu lassen.“ Offenbar überzeugte das damals die anderen Sozialdemokraten. Seit dieser Zeit ist der Pfälzer Oppositionsführer im bayerischen Landtag. Bayern und die Pfalz verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Sie geht zurück bis ins 13. Jahrhundert als der Stauferkönig Friedrich II. den Bayernherzog Ludwig I. mit der Pfalzgrafschaft belehnte. 1806 wurde ein Pfälzer, der Zweibrücker Kurfürst Maximilian, zum ersten bayerischen König. Im 19. und 20. Jahrhundert (bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs) war die Pfalz ein Teil Bayerns. An die Historie erinnert heute noch der goldene Pfälzer Löwe im Wappen Bayerns.

Pfälzer gelten als Revoluzzer in Bayern

Und schon lange vor Rinderspacher stand ein Pfälzer Sozialdemokrat an der Spitze Bayerns. Am 17. März 1919 wählte der Landtag den gebürtigen Ilbesheimer Johannes Hoffmann zum Ministerpräsidenten. Pfälzer, erzählt Rinderspacher, gelten als Revoluzzer in Bayern. Sie seien „keck“ und trügen den französischen Freiheitsgeist im Herzen, meint er. Der Kaiserslauterer hat sich vorgenommen, „die Demokratisierung Bayerns voranzubringen“. Aber ist der Freistaat nicht längst eine Demokratie? Für die Antwort holt Rinderspacher weit aus. Er kennt die Geschichte seiner Wahlheimat, erzählt von Königen und Prinzregenten und verweist auf zahlreiche Plätze und Straßen, die nach Adligen benannt wurden und heute noch an sie erinnern. Rinderspacher konstatiert für Bayern einen „Nochholbedarf beim republikanischen Bewusstsein“. Übrigens: Während die Bayern bisweilen im Ruf stehen, sich gegen Menschen, die nicht aus ihrer Region stammen, gerne ein bisschen abzuschirmen, gelten Pfälzer laut Rinderspacher „nicht als Auswärtige“. Auch das hänge mit der gemeinsamen Geschichte zusammen. Daher werde ihm diesbezüglich nicht mit Vorbehalten begegnet. Schwieriger als die Herkunft seien eher seine Leidenschaft für den stark angeschlagenen TSV 1860 München und die Tatsache, dass er nicht nur Sozialdemokrat, sondern auch noch evangelisch sei: „Man muss da ein dickes Fell haben“, scherzt Rinderspacher, der mit der Opernsängerin Franziska Rabl liiert ist.

SPD müsse wieder bürgernah auftreten

In Rheinland-Pfalz hätte er es als SPDler vermutlich einfacher und von den Genossen in Rheinland-Pfalz könne man einiges lernen, sagt er. Die hätten es immerhin geschafft, ein strukturkonservatives Land zu gewinnen. Rinderspacher erklärt das mit der „harten Kärrnerarbeit“ und einer „Politik ohne Schnick-Schnack“. Damit könne seine Partei auch in Bayern punkten, wenngleich es da noch Regionen ohne SPD-Ortsvereine gebe. Aber mit „Kampfesmut und Zuversicht“ will er in die Landtagswahl im Herbst ziehen und gesteht, dass es natürlich „schöner wäre zu regieren“. Sich selbst sieht er in der Rolle eines „pragmatischen Sozialdemokraten in einem linken Landesverband, der seit 61 Jahren in der Opposition ist“. Ohne Umschweife gibt Rinderspacher zu, dass er sich für die GroKo in Berlin ausgesprochen habe. Die Argumentation, dass sich eine Partei in der Opposition erneuern könne, hält er für falsch. Wer wüsste das besser als ein bayerischer Sozialdemokrat? Die SPD müsse weniger Staatspartei sein und wieder bürgernah auftreten, ist der Vater eines 13-jährigen Sohnes überzeugt.

Neben dem Flaschenöffner liegt ein Korkenzieher

Stichwort Bürgernähe: Da gibt es noch eine Gemeinsamkeit mit Ministerpräsident Markus Söder. Genau wie der CSU-Mann erscheint Rinderspacher in ausgefeilten Verkleidungen bei der Franken-Fasnacht. Trat er vor ein paar Jahren als Pirat aus Fluch der Karibik oder als Freiheitsstatue auf, so erschien er dieses Mal als Kurt Eisner – der erste Ministerpräsident Bayerns war, welch Zufall, genau wie Rinderspacher Sozialdemokrat und Journalist. Zurück ins Büro im Maximilianeum. Dort stehen die Wassergläser natürlich auf roten Servietten. Und auf einem Tablett liegt nicht nur ein Flaschenöffner, sondern auch ein Korkenzieher. Gibt es ab und zu vielleicht mal ein Flasche Pfälzer Riesling hier? In der Fraktion werde eher Bier getrunken, aber hin und wieder auch mal ein Wein. Der stamme dann aber aus einem bayerischen Anbaugebiet und ist natürlich: ein roter.

Verkleidet: Rinderspacher als Kurt Eisner.
Verkleidet: Rinderspacher als Kurt Eisner.
Angriffslustig: Rinderspacher als Oppositionsführer.
Angriffslustig: Rinderspacher als Oppositionsführer.
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