Rheinland-Pfalz Nicht jeder Dorfladen ist ein Renner

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MAINZ

. Paul Lauxen gerät ins Schwärmen: Der Dorfladen in Greimersburg bei Cochem biete seiner Kundschaft die Möglichkeit der Vollversorgung. Nach Angaben des Ex-Bürgermeisters der 700-Seelen-Gemeinde sind 1400 Artikel im Sortiment, daneben eine Reihe von Regionalprodukten. Die Preise seien „wie im Supermarkt“. In vielen der mehr als 2000 Dörfer in Rheinland-Pfalz gibt es kaum noch Möglichkeiten zum Einkaufen. Fast alle Tante-Emma-Läden sind aufgegeben worden. Die Greimersburger haben eine Lösung gefunden: 80 Familien haben sich zu einem Verein zusammengeschlossen, der mit Rückendeckung der Gemeinde seit Sommer 2011 den Dorfladen betreibt. Vier Frauen in 450-Euro-Jobs sorgen für 43 Stunden Öffnungszeit pro Woche. Unterstützt werden sie von 16 ehrenamtlichen Helfern. 220.000 Euro beträgt der Jahresumsatz. Bisher sei immer ein kleiner Gewinn übrig geblieben, sagt Lauxen. Das Land will mit einem Beratungsprojekt kleine Ortschaften bei der Wiedereinrichtung eines Dorfladens unterstützen. „M-Punkt RLP“ heißt das Projekt. 250.000 Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) will sich Innenminister Roger Lewentz (SPD) im kommenden Jahr die Förderung kosten lassen, 25 Prozent mehr als 2015. Dorfläden seien mehr als eine Einkaufsmöglichkeit, sagt Lewentz. Sie seien häufig Mittelpunkte des dörflichen Lebens. Umgesetzt wird das Dorfladen-Coaching vom Trierer Unternehmensberater Volker Bulitta. Auch er sagt: Ein Dorfladen stehe nicht nur für Nahversorgung, sondern für dörfliches Leben. Bulitta nennt zwei Voraussetzungen, die seiner Ansicht nach erfüllt sein müssen, damit ein solches Projekt klappen kann: Es müsse zu erwarten sein, dass viele Menschen tatsächlich im Dorfladen einkaufen werden. Das versuchen der Unternehmensberater und seine Leute mit einer Umfrage abzuschätzen. Nicht zuletzt bedürfe es einer größeren Anzahl engagierter Helfer, damit das Projekt eine Chance auf Erfolg hat. Nach Angaben des Innenministeriums haben sich seit Start des Projekts im Januar 2011 rund 400 Kommunen zumindest einen ersten Rat abgeholt. In 60 Fällen seien Machbarkeitsstudien erstellt worden. Unter dem Strich seien daraus 27 Dorfläden entstanden oder noch im Aufbau. Bisher sei keines der von „M-Punkt“ beratenen Projekte gescheitert. In der Pfalz hätten sich unter anderen Freckenfeld bei Kandel und Mannweiler-Cölln im Donnersbergkreis auf den Weg gemacht. In 21 Fällen haben Bulitta-Expertisen von einem Dorfladen abgeraten, weil Kundeninteresse oder Bürgerengagement als zu gering eingeschätzt wurde. Der Dorfladen in Klausen bei Wittlich funktioniere seit schon 2007, schwärmt Ortsbürgermeister Alois Meyer. Der Wallfahrts- und Erholungsort hatte einst zahlreiche Läden, aber zwischendurch zehn Jahre überhaupt keine Einkaufsmöglichkeiten mehr. Organisiert ist der Dorfladen ähnlich wie in Greimersburg. Allerdings ist das Angebot vielfältiger: Ein angegliedertes kleines Café ist Treffpunkt für Vereine und Einzelpersonen. Im Haus gibt es unter anderem Müllsäcke, Briefmarken und Eintrittskarten, und schließlich ein paar Herbergsbetten sowie Infos für Touristen. 14 Mini-Jobber und 50 Freiwillige schmeißen den Laden. Wirtschaftlich abgesichert wird der Betrieb von der Gemeinde. Bisher ist es ohne Verluste abgegangen. Der Dorfladen in Freckenfeld soll in wenigen Tagen an den Start gehen. Die Gemeinde hat ein denkmalgeschütztes Haus übernommen, in dem auch zwei Wohnungen sind. Die Umbaukosten sind um 20 Prozent auf 1,2 Millionen Euro geklettert. Das hat für Ärger im Gemeinderat gesorgt. Auch in Freckenfeld sollen zwei Festangestellte und 150 Vereinsmitglieder den Laden zum Laufen bringen. Den Verantwortlichen schweben ebenfalls ein Café-Treff und weitere Zusatzangebote vor. Der neue Laden im Dorf sei auch ein Argument, mit dem Neubürger anzulocken seien, sagt Ortsbürgermeisterin Gerlinde Jetter-Wüst. In Freckenfeld wird sich noch zeigen müssen, ob sich der Dorfladen trägt. Kandel mit mehreren Supermärkten und Discountern ist nur einen Katzensprung entfernt. Andernorts sind Dorfläden längst gescheitert. In der Südwestpfalz streckte vor fünf Jahren die von Kommunen getragene Beschäftigungsgesellschaft GBI in drei Ortschaften die Waffen. Im Westerwald hat die Arbeiterwohlfahrt (Awo) auf einen Schlag ihre neun Dorfläden geschlossen. Jetzt suchen die betroffenen Kommunen teilweise Lösungen, den Betrieb weiterzuführen. Viele gut gemeinte Dorfladen-Projekte seien gescheitert, sagt Bulitta. Viele dieser Läden seien als Integrationsbetriebe organisiert worden. Dabei seien die Standorte oft danach ausgesucht worden, wo Menschen mit Behinderungen in Arbeit gebracht werden sollten. Wirtschaftliche Gesichtspunkte seien dabei zu wenig beachtet worden, kritisiert der Unternehmensberater.

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