Südwest Aufbau von Nato-Kommando für Ukraine-Hilfe startet

Wiesbaden Army Airfield
Das Army Airfield in Wiesbaden ist bereits ein wichtiger Standort der US-Army in Europa. (Archivfoto)

Wiesbaden rückt in den Fokus der Weltpolitik, die Nato organisiert künftig von dort Waffenlieferungen und Ausbildung für die ukrainischen Streitkräfte. Was bedeutet das für die Stadt?

Wiesbaden/Washington (dpa) - Der Aufbau des neuen Nato-Ukraine-Kommandos in Wiesbaden beginnt. Das Startdatum für den Einsatz zur Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte sei zwar am heutigen Tag, erklärten Bündnisvertreter am Rande des Nato-Gipfels in Washington. Der Oberbefehlshaber für Europa werde allerdings vermutlich noch einige Monate brauchen, bis er das Kommando so aufgestellt habe, dass es alle geplanten Aufgaben übernehmen könne. Bis dahin würden weiterhin die US-Streitkräfte die Koordinierungsaufgaben übernehmen. Für Militärhilfen für die Ukraine wollen die Nato-Staaten innerhalb des nächsten Jahres wieder mindestens 40 Milliarden Euro mobilisieren.

Vorkehrungen für mögliche Trump-Rückkehr

Die Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten hatten den Start des Einsatzes am Mittwoch bei ihrem diesjährigen Gipfeltreffen in Washington beschlossen. Er soll auch eine Vorkehrung für den Fall einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins US-Präsidentenamt ab Januar 2025 sein. Äußerungen des Republikaners hatten in der Vergangenheit Zweifel daran geweckt, ob die USA die Ukraine unter seiner Führung weiter so wie bisher im Abwehrkrieg gegen Russland unterstützen werden. Im Bündnis wird befürchtet, dass von einem politischen Kurswechsel in Washington auch die Koordinierung von Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte betroffen sein könnten.

Security Assistance Group-Ukraine arbeitet von Wiesbaden aus

Diese Aufgabe wurde bislang federführend von den Vereinigten Staaten wahrgenommen. Diese hatten dafür Ende 2022 im Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte in Wiesbaden eine rund 300 Soldaten starke Einheit mit dem Namen Security Assistance Group-Ukraine (SAG-U) aufgebaut. Für die Nato sollen nun sogar rund 700 Mitarbeitende im Einsatz sein, Deutschland will davon rund 40 stellen, darunter auch einen Zwei-Sterne-General als stellvertretenden Kommandeur. Neben dem Nato-Hauptquartier in Wiesbaden soll es auch Außenstellen in Polen, Rumänien und der Slowakei sowie ein Team in Mons in Belgien geben. Dort hat der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa, Christopher G. Cavoli, seinen Sitz.

Mehr Effizienz und Schnelligkeit

Das neue Nato-Ukraine-Kommando in Wiesbaden hat nach Einschätzung des Politologen David Sirakov vor allem logistische Gründe. «Die Wahl kann mit einer verbesserten Effizienz und Schnelligkeit von Hilfsmaßnahmen begründet werden», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. In Wiesbaden befinde sich mit dem Hauptquartier der US-Army in Europa (USAREUR-AF) ein bereits heute strategisch bedeutender Standort für logistische und operative Planungen.

Ukraine-Hilfe wird gestärkt

«Überaus wichtig ist auch, dass das Kommando von den USA auf die Nato übergeht. Die Unterstützung der Ukraine wird damit auf breitere Schultern verteilt und deutlich stärker institutionalisiert», meinte der Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz. Die Ungewissheit, wie die US-Präsidentschaftswahl im November ausgehe, sei sicherlich auch einer der treibenden Faktoren. «Hinzu kommt, dass Deutschland geografisch günstig liegt, politisch weitgehend stabil ist und über eine gut entwickelte Infrastruktur verfügt.»

Konfliktforscher bewertet neue Strukturen als sinnvoll

Auch das Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung sieht den Aufbau eines Ukraine-Kommandos in Wiesbaden im Zusammenhang mit der anstehenden US-Wahl. Indem man die Koordinierung der Ukraine-Hilfe institutionell in der Nato verankere, werde die Abhängigkeit von den USA reduziert, sagte Frank Kuhn, Mitarbeiter des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung. «Dass die Ukraine-Unterstützung und -Ausbildung nun auf eine dauerhafte Grundlage gestellt werden, halte ich für sinnvoll.» Ziel sei es, die Verhandlungsposition der Ukraine für einen möglichen Friedensvertrag mit Russland zu verbessern. «Die dauerhafte Unterstützung der Ukraine durch Material und Ausbildung dient diesem Ziel und somit mittel- und langfristig auch dem Frieden», sagte Kuhn.

Experte: Keine weiteren Risiken für Wiesbaden

Risiken sieht der Experte eigentlich keine. «Sicherlich werden einige argumentieren, dass Wiesbaden nun ein interessanteres Ziel für die russischen Streitkräfte ist, falls es zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Nato kommen sollte», sagte Kuhn. «Allerdings ist Wiesbaden ohnehin schon eine der wichtigsten US-Militärbasen in Deutschland und Europa. Dass von dort nun auch die Ukraine-Unterstützung koordiniert wird, ändert daran wenig.»

Wohl weiter möglich: Ukraine-Treffen in Ramstein (Pfalz)
Verteidigungsminister Boris Pistorius (l.) im März bei Beratungen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein. Laut Politologe Sirakov hat Wiesbaden logistische Vorteile - Ramstein jedoch auch. (Archivfoto)

Nato-Vertreter betonten am Donnerstag in Washington, dass das neue Nato-Kommando mit dem Namen NSATU (Nato Security Assistance and Training for Ukraine) nicht die Ukraine-Kontaktgruppe (UDCG) ersetzen werde. In dem in der Regel von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin geleiteten Format beraten die Vertreter von Ländern, die die Ukraine militärisch unterstützen. Es wird auch als Ramstein-Gruppe bezeichnet.

Ramstein-Treffen weiter möglich

«Die Ramstein Air Base ist und bleibt eine der bedeutendsten Basen der US-Luftwaffe und ein zentrales Drehkreuz für militärische Operationen in Europa und Afrika», sagte auch Politologe Sirakov. Die Treffen könnten auch deshalb dort weiter stattfinden, da der Flugplatz in der Pfalz über entsprechende Möglichkeiten verfüge, ein größeres Flugaufkommen zu bearbeiten. «Dazu zählt, dass größere Flugzeuge in Ramstein ohne Probleme landen können. Mögliche Transfers etwa nach Wiesbaden wären dann nicht nötig.»

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