Rheinland-Pfalz Reha gegen Corona-Langzeitfolgen: Zwei Patientinnen berichten

Bad Ems: Long Covid-Patientin Sandra Greco macht einen Lungenfunktionstest im Centrum für Pneumologie der Hufeland-Klinik.
Bad Ems: Long Covid-Patientin Sandra Greco macht einen Lungenfunktionstest im Centrum für Pneumologie der Hufeland-Klinik.

Nach einer Covid-19-Erkrankung kann eine Rehabilitation helfen, Körper und Geist wieder aufzubauen. Spezielle Sportkurse und Übungen, aber auch der Austausch in der Gruppe ebnen den Weg der Genesung.

Christina Pleitz ist erschöpft. Treppen über drei Stockwerke hochzulaufen, das war für die 44-Jährige aus Traisen im Landkreis Bad Kreuznach früher kein Problem. Doch dann kam Corona. „Man verliert das Vertrauen in den Körper“, sagt Pleitz. Die Krankenschwester war gerade drei Wochen zur Rehabilitation in der Drei-Burgen-Klinik in Bad Kreuznach. Eine der Diagnosen: Post Covid.

Unter Laien werden die Begriffe Post und Long Covid häufig synonym verwendet. „Bei Symptomen, die vier bis zwölf Wochen nach Erkrankungsbeginn auftauchen, sprechen Ärzte von Long Covid“, erklärt Wolfgang Neumeister, Chefarzt der Hufeland-Klinik in Bad Ems. Ab zwölf Wochen sei der Fachterminus Post Covid.

Beschwerden „teils ähnlich wie bei Herzinfarkt-Patienten“

Für Christina Pleitz, die im Februar 2021 an Covid erkrankte, bedeutet das Post-Covid-Leben vor allem, wieder auf ihren Körper zu hören, neue Grenzen kennenzulernen. Die Pulsuhr wird zum ständigen Begleiter. Sie macht Ausdauertraining, fährt Fahrrad, geht viel spazieren. „Am Anfang konnte ich kaum den Hügel hinter der Klinik hochgehen, danach musste ich mich eine Stunde hinlegen.“ Jetzt kann sie sogar noch weiter laufen als bis zum Hügel.

„Die Beschwerden sind teils ähnlich wie bei Herzinfarkt-Patienten“, erklärt Ute Dederichs-Masius, Ärztliche Direktorin der Drei-Burgen-Klinik. Man dürfe die Patientinnen und Patienten nicht in Watte packen, sie aber auch nicht überfordern. Zudem spiele die Psyche eine große Rolle. Deshalb würden im Eingangsscreening Anzeichen von Depressionen und Angststörungen abgefragt. Psychologische Gespräche gehörten ebenso wie Entspannungsübungen zum Reha-Programm.

Fast 6600 Post-Covid-Diagnosen in einem Quartal in RLP

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz haben im vierten Quartal des vergangenen Jahres bei 6594 gesetzlich Versicherten einen sogenannten Post-Covid-19-Zustand nach einer überstandenen Infektion diagnostiziert. Die Daten für das vierte Quartal seien jedoch nicht abschließend bearbeitet, es könnten noch weitere Behandlungsfälle dazu kommen, teilt die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz mit. Im ersten Quartal 2021 waren es 4269 Patientinnen und Patienten.

Der Bedarf nach Reha-Angeboten wie sie die Drei-Burgen-Klinik und die Hufeland-Klinik bieten, ist groß. „Wir haben noch Patienten aus der zweiten Welle, die relativ lange auf eine Rehamaßnahme warten mussten“, sagt Neumeister von der Hufeland-Klinik.

Im vergangenen Jahr gab es bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz 369 medizinische Rehabilitationen im Zusammenhang mit einem Post Covid-Syndrom. „In diesem Jahr rechnen wir mit deutlich mehr Anträgen, allein schon wegen der hohen Infektionszahlen in der Delta- und Omikronwelle“, sagt Hans-Georg Arnold, Sprecher der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland-Pfalz. Für Erwerbstätige werden Rehabilitationen grundsätzlich von der DRV als nach eigenen Angaben größter Reha-Träger finanziert.

Reha: Atemtherapie, heiße Auflagen und Gehirnleistungstraining

Sandra Greco hatte die vergangenen vier Wochen einen streng geregelten Tagesablauf in der Hufeland-Klinik. Nach dem Frühstück geht es zur Hocker-Gymnastik. Hier steht die Atemtechnik im Fokus, also wie entspannt und weitet man die Lunge. Nach einer Stunde Pause legt sich die 46-Jährige auf eine Art Wasserbett, das die Muskeln entspannen soll. Dazu kommen im Laufe des Tages Atemtherapie, heiße Auflagen für die Lunge, Schwimmgymnastik, Gesprächstherapie und Gehirnleistungstraining.

Mit Gedächtnisstörungen, einem der wohl häufigsten Post-Covid-Phänomene hat Greco sehr zu kämpfen, wie sie berichtet. Sie wird mittels einer App auch zu Hause die Übungen, die sie in Bad Ems gelernt hat, fortführen. „Ich kann mir nichts merken“, sagt die Busfahrerin aus Köln. So müsse sie etwa häufig auf die Uhr schauen, um überhaupt zu wissen, wie spät es sei. „Im gleichen Moment habe ich es schon vergessen.“

Die Post-Covid-Symptome sind sehr breit gefächert, eine internationale Studie spricht von über 200 Symptomen, die sich über zehn Organsysteme verteilen. Es gebe Studien, die auf Langzeitfolgen bei bis zu 90 Prozent der stationär behandelten Covid-Patienten hinweisen, sagt Neumeister.

Sportvereine bieten Reha-Kurse an

Post-Covid-Patienten finden bei der Turn- und Sportgemeinschaft 1861 Grünstadt in der Nähe von Bad Dürkheim ebenfalls Hilfe. Der Verein hat seit dem Herbst zwei Reha-Sportkurse exklusiv für diese Gruppen im Programm. Und ist damit nach eigenen Angaben einer der ersten im südwestdeutschen Raum. Die insgesamt 19 Teilnehmenden sind zwischen 30 und 78 Jahre alt. Manche von ihnen lagen im Koma, andere mussten zu Beginn des Kurses noch mit Sauerstoff versorgt werden.

Im Vordergrund stünden Atemübungen, etwa aus dem Yoga, berichtet Übungsleiterin Corinna Weise. Dazu komme gelenkschonendes Konditionstraining sowie Entspannungsübungen. „Ganz wichtig ist aber auch der Austausch in der Gruppe, die psychologische Komponente spielt bei Post Covid eine enorme Rolle“, sagt Weise.

Lungenfunktion bei nur 63 Prozent

Für Pleitz und Greco ist es ein weiter Weg zurück ins Leben. Beide können noch nicht wieder arbeiten gehen. Neben Post Covid haben beide mit weiteren Beschwerden an Herz und Lunge zu kämpfen. Ob und inwieweit diese mit ihrer Corona-Infektion zusammenhängen, ist unklar.

Pleitz wird am Nachsorgeprogramm der Drei-Burgen-Klinik teilnehmen und einmal pro Woche dort weiter trainieren. Grecos Lungenfunktionstest ergab zum Abschluss ihrer Reha eine kleine Verbesserung, dennoch liegt ihre Lungenfunktion nur bei 63 Prozent. Auch sie will weiter Krankengymnastik machen und zudem psychologische Hilfe beantragen. „Ich möchte meinen Job wieder normal ausführen können.“ Die Reha war dafür ein erster Schritt.

Long Covid-Patientin Christina Pleitz macht in der Drei-Burgen-Klinik eine Pause, nachdem sie in mit den Treppen in den dritten
Long Covid-Patientin Christina Pleitz macht in der Drei-Burgen-Klinik eine Pause, nachdem sie in mit den Treppen in den dritten Stock gelaufen ist.
Wolfgang Neumeister, Ärztlicher Direktor der Hufeland-Klinik Bad Ems
Wolfgang Neumeister, Ärztlicher Direktor der Hufeland-Klinik Bad Ems
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