Rheinland-Pfalz Richter auf Arbeitssuche

Die Karriere des stellvertretenden Chefs des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Koblenz, Ralf Bartz, hat durch Fehlentscheidungen des Justizministeriums einen – gelinde gesagt – schwierigen Verlauf genommen. Nun scheint er im letzten Jahr vor dem Ruhestand schon zur Unterbeschäftigung verdammt zu sein. Das OVG weist diese Vorwürfe jedoch zurück.

KOBLENZ

. „Des Weiteren zeige ich an, dass im 3., 4., 5. und 11. Senat seit heute kein Verfahren mehr anhängig ist“: Wenige Worte nur benötigte Vizepräsident Ralf Bartz vor zwei Monaten, um dem OVG-Präsidenten Lars Brocker mitzuteilen, dass er nichts mehr zu tun habe. Bartz ist Vorsitzender dieser vier Senate, die sich mit Personal- und Disziplinarrecht auf Bundes- und auf Landesebene beschäftigen. In der rheinland-pfälzischen Justiz, deren Vertreter seit Jahren über Unterbesetzung klagen, dürfte ein solcher Satz Entsetzen auslösen, bei Steuerzahlern ebenso. Der zweithöchste Richter im Land hat ein Grundgehalt von 8308 Euro im Monat. Gegenüber der RHEINPFALZ wurde dies aus Kreisen der Koblenzer Justiz süffisant kommentiert: „So geht also ein hoch bezahlter Richter frühmorgens an seinen Arbeitsplatz und verlässt ihn um 16.30 Uhr in der Hoffnung auf ein vielleicht doch wieder einmal eingehendes Verfahren.“ Bartz wurde schon vieles nachgesagt, es war nicht immer freundlich, aber dass er arbeitsam ist, darin waren sich Befürworter und Kritiker einig. Der 64-Jährige, der Ende dieses Jahres in den Ruhestand geht, war bis vor neun Jahren als Präsident des Landessozialgerichts Mainz medial eher weniger in Erscheinung getreten. Dann wurde seine Ernennung zum Präsidenten des Landgerichts Koblenz zum Politikum und zu einem Fall für die Justiz. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bescheinigte 2010 dem damaligen Justizminister Heinz Georg Bamberger (SPD), derart gravierende Fehler bei der Besetzung gemacht zu haben, dass das ganze Verfahren neu aufgerollt werden musste. Der zunächst unterlegene Bewerber Hans-Josef Graefen wurde später Landgerichtspräsident. Für Bartz, der Anspruch auf eine gleichwertige Position hatte, wurde eine abgeschaffte Abteilungsleiterstelle im Justizministerium reaktiviert. Seine Bewerbung um das höchste Richteramt im Land, in Personalunion Präsident am OVG und am Verfassungsgerichtshof, hatte im Juni 2012 keinen Erfolg, dafür kam der damalige Direktor beim Landtag, Lars Brocker, zum Zug. Der SPD-Mann war einvernehmlich über die Parteigrenzen hinweg gewählt worden. Nur vier Monate später ernannte der Justizminister Bartz zu Brockers Stellvertreter, obwohl dieser eine andere Besetzung favorisiert hatte. Nun zog Bartz zwar im Oberverwaltungsgericht ein, aber eine Wiederwahl als berufsrichterliches Mitglied des Verfassungsgerichtshofs, dem er schon als Chef des Landessozialgerichts angehört hatte, blieb ihm verwehrt. Brocker schlug für das Gremium zunächst Landgerichtspräsident Graefen vor und dann Dagmar Wünsch, Richterin am Oberverwaltungsgericht. Während der Verfassungsgerichtshof 2014 mit 65 Verfahrenseingängen ein Rekordhoch verzeichnete, wartete der Vizepräsident weiter auf Personal- und Disziplinarrechtsfälle. Ralf Bartz selbst sagte gestern, er gebe keine Stellungnahme dazu ab, und verwies an die Pressestelle des OVG. Dort hieß es, die Anzahl der Verfahren in den Senaten drei, vier, fünf und elf liege aktuell wieder bei sechs. Zum Vergleich: Präsident Brocker hat mehr als 20. Die Verfahren der Senate drei, vier, fünf und elf würden ganz überwiegend vom Vorsitzenden, also von Bartz, selbst bearbeitet. Pressereferent Thomas Stahnecker räumte ein, im Jahr 2014 seien die Eingangszahlen deutlich rückläufig gewesen. Dies sei dem Präsidium bei seiner Sitzung am 5. Dezember bekannt gewesen, ebenso die Geschäftsbelastung anderer Senate. Anlass, die Geschäftsverteilung zu ändern, habe aber nicht bestanden, denn neben der Belastung der Senate würden auch andere Gesichtspunkte berücksichtigt, „etwa die aufgrund von Erfahrung erworbene Spezialisierung der Richter“, heißt es in der fast zwei Seiten langen Stellungnahme. Außerdem sei ein „Anstieg der Verfahrenszahlen und damit der Geschäftsbelastung“ in den Senaten des Vizepräsidenten absehbar gewesen. Dem Präsidium des Oberverwaltungsgerichts gehören den Angaben zufolge sechs gewählte Mitglieder und der Präsident an, der Vizepräsident sei beratendes Mitglied. Das rheinland-pfälzische Justizministerium lehnte eine Stellungnahme ab und verwies auf die Geschäftsverteilung, die allein von dem Präsidium in richterlicher Unabhängigkeit vorgenommen werde.

x