Südwest Saarland Vorreiter bei virtuellen Gerichtsverhandlungen

Landgericht Saarbrücken
Der persönliche Besuch des Gerichtsgebäudes könnte sich bei Zivilverfahren im Saarland künftig erübrigen. (Archivbild)

Vor allem seit Corona sind Videokonferenzen in Unternehmen an der Tagesordnung. Bei Gerichtsverfahren war das gesetzlich bislang nicht möglich. Jetzt will das Saarland Neuland beschreiten.

Saarbrücken (dpa/lrs) - Als erstes Bundesland will das Saarland bei Zivilverfahren eine komplett virtuelle Verhandlung einführen. «Wir werden damit bundesweit zum Vorreiter. Bislang sind wir die Einzigen, die die neuen gesetzlichen Möglichkeiten so schnell wie möglich umsetzen wollen», sagte Staatssekretär Jens Diener (SPD) der Deutschen Presse-Agentur in Saarbrücken. 

Demnach beteiligen sich das Saarländische Oberlandesgericht, das Landgericht Saarbrücken und das Amtsgericht Homburg an einem Pilotprojekt, das durch ein kürzlich verabschiedetes Bundesgesetz zur Förderung des Einsatzes der Videokonferenztechnik ermöglicht wurde.

Mit Bild und Ton verbunden

Anders als bei virtuellen Verhandlungen, die bislang im Gerichtssaal stattfanden und bei denen auf Antrag die Anwälte und Prozessbeteiligten zugeschaltet werden konnten, können die Zivilverfahren künftig komplett virtuell stattfinden. Das bedeutet: Außerhalb eines Gerichtssaales sind Richter und Verfahrensbeteiligte per Bild- und Tonübertragung miteinander verbunden. 

«Die Besonderheit bei Videoschalten in Gerichtsverfahren ist, dass wir immer die Öffentlichkeit herstellen müssen», sagte Diener. Dies soll dadurch sichergestellt werden, dass in einem speziell eingerichteten Raum eine - oder auch mehrere - Gerichtsverhandlungen übertragen werden. Interessierte Bürger können dann einen Kopfhörer tragen und selbst entscheiden, welche Verhandlung sie verfolgen wollen.

Weniger Zeit und Kosten

«Die saarländische Justiz treibt die Digitalisierung mit großen Schritten voran», so Diener. Er verspricht sich davon vor allem einen hohen Grad an Flexibilität. Zum einen entfielen Zeitaufwand und auch Kosten für die Fahrten zum Gericht, zudem könnten Verhandlungen schneller terminiert werden, weil man nicht mehr auf feste Sitzungstage der Richter in den Gerichtssälen angewiesen sei. 

Gerade im Zivilrecht gebe es viele Verfahren und Verhandlungen, die nur sehr kurz dauern - beispielsweise, weil nur Anträge gestellt werden. Besonders gut geeignet für die voll virtuellen Verhandlungen sind seiner Ansicht nach auch Prozesse, bei denen erkennbar sei, dass sich die Parteien vermutlich einigen werden oder etwas ganz schnell gehen müsse. Gerichtsverfahren würden dadurch «schneller, effizienter und damit auch noch bürgerfreundlicher».

Ob die Richter diese neue gesetzliche Möglichkeit nutzen, bleibe jedem selbst überlassen. In den drei beteiligten Gerichten jedoch besteht laut Diener großes Interesse, dieses Verfahren auszuprobieren. Das Bundesjustizministerium werde die Ergebnisse nach vier Jahren evaluieren.

Audiovisuelle Vernehmungen


Eine erste positive Bilanz konnte der Justiz-Staatssekretär auch bei einer digitalen Entwicklung in Strafverfahren ziehen: der audiovisuellen Vernehmung von Zeugen. Dabei geht es darum, dass Zeugen in einem Strafverfahren nur einmal vernommen werden müssen. Diese Vernehmung wird in einem Raum am Amtsgericht in Saarbrücken aufgezeichnet und kann dann in einem weiteren Prozess vorgespielt werden. Großer Vorteil sei, dass beispielsweise kindlichen Opferzeugen nicht zugemutet werde, mehrmals auszusagen. Insofern sei dies «ein wichtiger Meilenstein im Bereich des Kinder- und des Opferschutzes».

Bei der Einführung im Jahr 2022 habe die Staatsanwaltschaft dafür zwei Anträge gestellt, 2023 seien es 46 und im laufenden Jahr bislang 29 Anträge gewesen. Diener: «Man kann sagen, die Praxis hat das gut angenommen.»

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