Rheinland-Pfalz Unter Verschluss

Kaiserslautern

/Neustadt. Der Schlagersänger Graham Bonney hatte in den 1960er Jahren Hits wie „Supergirl“, „Siebenmeilenstiefel“ und vor allem „Wähle 333“. In diesem Song trällerte Bonney damals: „Wähle 3-3-3 auf dem Telefon, wähle 3-3-3 und du hast mich schon.“ Doch solch eine schnelle Verbindung ist nicht überall selbstverständlich. Ein Oberbibliotheksrat der Landesbibliothek in Speyer klagte beispielsweise vor Jahren gegen seinen Dienstherrn, weil der seinen Namen samt E-Mail-Adresse auf der Internetseite veröffentlich hatte – zur Aufgabe des Mitarbeiters gehörte es schließlich, die Nutzer der Bibliothek bei der Literatursuche zu beraten. Doch so nah wollte der Bibliothekar die Ausleiher nicht an sich heranlassen. Der Fall landete schließlich beim Bundesverwaltungsgericht, das unmissverständlich klarstellte: „Kein Bediensteter einer Behörde hat Anspruch darauf, von Publikumsverkehr abgeschirmt zu werden, es sei denn, legitime Interessen zum Beispiel der Sicherheit gebieten dies.“ Wie ein Amt die Erreichbarkeit seiner Mitarbeiter für Außenstehende sicherstellt, bleibt ihm überlassen. Dies könne auf herkömmliche Weise wie durch schriftliche Behördenwegweiser oder Übersichtstafeln gesehenen, meinte das Bundesverwaltungsgericht, oder auch moderner durch Hinweise auf der Internetseite. Doch nicht alle Behörden verordnen ihren Mitarbeitern, wie die Speyerer Landesbibliothek, den direkten Kundenkontakt. Anderswo landen Anrufer stattdessen in einem Call-Center oder bei einer kostenpflichtigen Servicenummer. Zu den Dienststellen, die sich auf diese Weise gerne abschirmen, gehören viele Jobcenter: Sie halten die Listen mit den Durchwahlnummern ihrer Mitarbeiter deshalb unter Verschluss. So wird dies beispielsweise bei den Jobcentern Vorderpfalz-Ludwigshafen und Deutsche Weinstraße gehandhabt. Ebenso beim Jobcenter Kaiserslautern, das eine gemeinsame Einrichtung der Agentur für Arbeit und des Landkreises ist. Als man sich dort mit dem Antrag eines Bürgers konfrontiert sah, der nach der Telefonliste mit den Durchwahlnummern aller Sachbearbeiter fragte, reagierte die Behörde ziemlich eindeutig – nämlich gar nicht. Erst als der Bürger klagte, bequemte sich das Kaiserslauterer Jobcenter zu Begründungen: Bei der begehrten Telefonliste handele es sich um keine amtliche Information, es verwies zudem auf die Schutzinteressen der betroffenen Mitarbeiter. Andere Jobcenter befürchten, dass sie durch direkte Telefonkontakte lahmgelegt werden: Im Vermittlungsbereich gehe es um sensible Kundengespräche, wenn diese permanent durch Telefonate gestört würden, sei dies für beide Seite unbefriedigend. Wieder andere Jobcenter streiten ab, dass bei ihnen Listen mit Durchwahlnummern existieren. Die Auseinandersetzung hat sich mittlerweile zu eine Art Kleinkrieg entwickelt. Die Piratenpartei besorgte sich, offenbar über inoffizielle Kanäle, die Telefonlisten samt Durchwahlnummern der Sachbearbeiter von über 130 Jobcentern – und stellte diese Informationen jüngst ins Internet. Dies solle für mehr Transparenz sorgen, die Verschleierungspolitik der Jobcenter sei für die Betroffenen entwürdigend, sagte ein Parteisprecher. Ähnlich sieht dies der Leipziger Rechtsanwalt Dirk Feiertag: Während in weiten Teilen der Verwaltungen in den vergangenen Jahren ein Trend zu mehr Bürgernähe zu beobachten sei, erlebe man seit Einführung der Hartz-IV-Gesetze in den Jobcentern eine stetig zunehmende Abschottung gegenüber den hilfesuchenden Bürgern. Freitags Kanzlei „fsn-recht“ hat selbst die Probe aufs Exempel gemacht und auf Zugang zu den Durchwahltelefonnummern der Sachbearbeiter beim Jobcenter Leipzig geklagt. Das Verwaltungsgericht Leipzig gab den Rechtsanwälten Recht: Die telefonische Kommunikation mit dem Bürger sei selbst Teil der behördlichen Aufgabe. Es spreche nichts dafür, dass die Funktionsfähigkeit des Leipziger Jobcenters in Frage gestellt sei, wenn die dienstlichen Telefonnummern bekannt gegeben würden. Freitag vertrat auch den Antragsteller, den das Kaiserslauterer Jobcenter hatte abblitzen lassen. Das Verwaltungsgericht in Neustadt, das diesen Fall zu verhandeln hatte, wies die Klage im September jedoch ab. Bundesweit ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit derzeit in erster Instanz mit dieser Streitfrage beschäftigt: Die Urteile fallen mal, wie in Leipzig, zugunsten der Betroffenen, ein andermal, wie in Neustadt, zugunsten der Jobcenter aus. Ursache dafür sind unterschiedliche Auslegungen des 2005 in Kraft getretenen Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes – das den Bürgern eigentlich einen ungehinderten Zugang zu amtlichen Informationen der Bundesbehörden eröffnen soll. Das Gesetz gewährt zwar einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch, schränkt diesen aber gleichzeitig durch Ausnahmetatbestände wieder ein. Beim Streit um die Telefonlisten geht es deshalb um Fragen wie diese: Sind diese Listen überhaupt amtliche Informationen? Enthalten sie personenbezogene Daten? Muss das Jobcenter nur die Nummer jenes Mitarbeiters nennen, der konkret mit einem bestimmten Fall befasst ist? Das Verwaltungsgericht Neustadt gehört zu jenen, die bei dieser Problematik der Informationsfreiheit eher engere Grenzen ziehen: Die Durchwahlnummer eines Bediensteten dürfe nicht losgelöst von einem Vorgang herausgegeben werden. Der Kläger im Kaiserslauterer Fall ist auf breiter Front aktiv: Der Hartz-IV-Empfänger wohnt in Braunschweig und hat bundesweit Jobcenter mit seiner Forderung nach einer Telefonliste konfrontiert. Klagen sind auch in Mainz, Koblenz und Trier anhängig. Nach der Niederlage vor dem Verwaltungsgericht Neustadt hat er in Regensburg gerade einen ziemlich eindeutigen Sieg eingefahren. Die dortigen Verwaltungsrichter bügelten beispielsweise die Behauptung des betroffenen Jobcenters, man verfüge überhaupt nicht über eine Liste mit Durchwahlnummern, als „unglaubwürdig“ ab. Im schriftlichen Urteil der bayerischen Richter kann man deutlich deren Verwunderung darüber herauslesen, wie ihre Kollegen in Neustadt und anderswo das Informationsfreiheitsgesetz wenig bürgerfreundlich auslegen. Dieses Gesetz solle unter anderem die Transparenz behördlicher Entscheidungen verbessern. Diesem Ziel diene „unzweifelhaft“ die Bekanntgabe der dienstlichen Telefonnummern von Mitarbeitern einer Behörde: Damit werde deren interne Organisationsstruktur für Außenstehende „zumindest teilweise offengelegt“, sagen die Regensburger Richter. In eigener Sache sind sie freilich zurückhaltender: Der Geschäftsverteilungsplan, den das Verwaltungsgericht Regensburg im Internet veröffentlicht, nennt keine Durchwahlnummern

x