Rheinland-Pfalz Vom Sterben der Fotoampeln und ihrer Wiedergeburt

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Was gut ist, kommt wieder. Ob diesem Sinnspruch auch die meisten Autofahrer bei dem folgenden Thema zustimmen würden, darf bezweifelt werden. Doch der Reihe nach. Ab Ende der 60er-Jahre gab es in Ludwigshafen, Mainz und Koblenz ganz besondere Ampeln. Wer dort bei „Dunkelgrün“ über die Haltelinie bretterte, wurde aus einem Starenkasten heraus hinterrücks geblitzt. Punkte in Flensburg und ein saftiges Knöllchen waren die schmerzliche Folge. Um die Spannung zu steigern, waren aber nicht alle dieser „Blech-Polizisten“ gleichzeitig mit einer Kamera bestückt. Rotlicht-Sünder konnten somit hoffen, dass das Gerät, das sie ertappt hatte, vielleicht gerade nicht „geladen“ oder dass der darin enthaltene Film schon voll belichtet war. So manche Hoffnung wurde allerdings nach wenigen Wochen enttäuscht. Allein in Ludwigshafen gab es mindestens drei solcher Starenkästen: nacheinander zwei am Kaiserwörthdamm und eine in der Bruchwiesenstraße. Irgendwann verschwanden die Dinger sang- und klanglos. Genauer gesagt: Ihre dunkelgrünen Blechhüllen stehen zum Teil heute noch herum, verbreiten aber – mangels Inhalts – nur bei Ahnungslosen noch eine abschreckende Wirkung. Wer hat sie vermisst? Zumindest ich fuhr nach der „Pensionierung“ der Rotlicht-Blitzer gelassener an die drei Kreuzungen in Ludwigshafen heran. Gefühlt schalteten deren Ampeln nämlich recht zackig von Grün auf Rot. Durchstarten oder Abbremsen – diese Entscheidung galt es, solange die Blitzer auf der Lauer lagen, flott zu treffen. Und auf den gut ausgebauten Straßen waren die meisten nicht gerade im Schneckentempo unterwegs. Nicht selten saß einem ein anderer Verkehrsteilnehmer im Nacken. Wer sich also kurz vor der bereits gelben Blitzer-Ampel fürs Abbremsen entschied, riskierte, dass das folgende Auto seinen Kofferraum küsste. Warum aber verschwanden die Rotlicht-Blitzer dann plötzlich? Bis 1993 gab es in Rheinland-Pfalz den Verkehrsüberwachungsdienst der Polizei, heißt es dazu im Mainzer Innenministerium. Als der 1993 aufgelöst wurde, seien auch die Starenkästen abgeschaltet worden. Danach seien Rotlicht-Sünder von Streifen oder bei Sondereinsätzen verfolgt worden. Ernst Scharbach, der 1975 als Anwärter zur Polizei stieß, in den 90er Jahren die rheinhessische Verkehrsdirektion Wörrstadt leitete und später Landeschef der Gewerkschaft der Polizei wurde, hat noch eine weitere Erklärung parat: Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre seien die Starenkästen völlig veraltet gewesen. Da meist nur von hinten fotografiert wurde, redeten sich viele heraus, sie würden ihr Auto auch an andere Fahrer verleihen. Deshalb könnten sie nicht sagen, wer da auf dem Blitzerfoto gerade am Steuer saß. Oft wurde das Verfahren dann eingestellt. Das Innenministerium hat damals aber auch nicht Geld in die Hand nehmen wollen, um moderne Blitzer anzuschaffen, erinnert sich Scharbach. Angesichts der Personalnot der Polizei seien aufwendige mobile Kontrollen mit Videobeweis und anschließendem Herauswinken der Rotlicht-Sünder nicht zu leisten gewesen. Mangels Überwachung verlotterten bald die Sitten, wie jeder aufmerksame Autofahrer selbst beobachten kann – und sei es auch nur am eigenen Verhalten. Bei Rot über die Ampel zu fahren ist aber „wirklich gefährlich“, sagt Scharbach. Deshalb überrascht ihn der Druck aus manchen Kommunen keineswegs, die nun selbst kontrollieren wollen. Dem hat das Mainzer Innenministerium – wie berichtet – nun nachgegeben: Per Verordnung wird es den Kommunen ermöglicht, in eigener Regie Rotlicht-Sündern aufzulauern. Im Nachhinein hätte sich der pensionierte Ordnungshüter allerdings gewünscht, dass diese Aufgabe die Polizei behalten hätte. So wie beim Einsatz der neuen mobilen Tempomessgeräte. Denn, so Scharbach: „Uns beneidet alle Welt um unsere einheitliche und kompetente Polizei in Deutschland.“ Anders sieht es dagegen in manchen Nachbarstaaten aus, in denen verschiedene Polizei-Organisationen miteinander um ihre Kompetenzen rangeln. | Jürgen Müller

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