Ludwigshafen RHEINPFALZ Plus Artikel Altes Ghetto, neues Ghetto: Wo Geflüchtete auf Wohnsitzlose treffen

Ende August auf dem Gelände der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete, die Arbeiten laufen noch.
Ende August auf dem Gelände der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete, die Arbeiten laufen noch.

Ludwigshafen hat an der Bayreuther Straße eine Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete gebaut – direkt bei den Blöcken, in denen seit Jahrzehnten Wohnsitzlose untergebracht werden. Ein Lehrstück, wie sehr Kommunen inzwischen überfordert sind.

Typische Szene nachbarschaftlichen Tuns, sozusagen: Man steht an der Hecke und schaut, was die anderen so machen. Es gibt an diesem Tag allerdings nicht viel zu gucken für den freundlichen Mann, der am Grünstreifen längs der Bayreuther Straße in Ludwigshafen steht und Richtung Nordosten schaut. Dorthin, wo bis vor kurzem noch Feld war und jetzt, wir schreiben den 10. September, weiße Container an frisch angelegten Plattenwegen stehen: Unterkünfte für bis zu 450 Geflüchtete, um die 300 sollen es vorerst werden. An diesem Dienstag Mitte September ist allerdings noch niemand zwischen den Blechbauten zu sehen. Sollte es eigentlich, aber offensichtlich verzögert sich der Einzug.

Letzte Bauarbeiten auf dem Gelände, die Gräben für die neuen Versorgungsleitungen sind immerhin schon wieder verfüllt – und irgendwie arbeitet es auch in dem netten Mann an der Hecke, der seit acht Monaten in den Blöcken an der Bayreuther Straße wohnt, dort, wo die Stadt Ludwigshafen seit Jahrzehnten Wohnsitzlose einweist. „Hier Flüchtlinge unterzubringen – das macht keinen Sinn“, sagt der Mann und schiebt noch eine Momentaufnahme aus dem nahen Kiez hinterher. „Es gibt halt viele, die haben Angst vor Ärger“, sagt der Mann.

Zu wenig bezahlbarer Wohnraum

Es ist dies ein Ort, an dem sich die Überforderung vieler Kommunen beim Thema Flucht und Migration verdichtet – und viele der angelagerten Probleme dazu, ein schon lange bundesweit notorischer Mangel an bezahlbarem Wohnraum beispielsweise. Rechter Hand das Viertel, in dem die Stadt Ludwigshafen Menschen unterbringt, die aus ihrer Wohnung geflogen sind und in die Obdachlosigkeit abzurutschen drohen: Abgewohnte Schlichtunterkünfte, im ältesten Teil des Baubestands teilweise ohne Heizung und ohne Duschen. Im Hof zwischen jenen alten „roten Blöcken“ sitzt eine kleine Gruppe von Bewohnern beim Plausch zusammen, da wird man gleich mal vorbeischauen, aber zunächst noch die fehlenden 180 Grad des Rundumblicks.

Straßen, Bäume, Schilder, aber keine Gebäude: die Heinrich-Pesch-Siedlung.
Straßen, Bäume, Schilder, aber keine Gebäude: die Heinrich-Pesch-Siedlung.

Linker Hand das neue Containerviertel, in das die Stadt Geflüchtete gleichsam umschichten wird, kein netter Ausdruck, aber es ist, wie es ist: Um die 80 Menschen sollen zunächst aus dem Einkaufszentrum Walzmühle in der Innenstadt kommen, in dem die Stadt zwischenzeitlich Räume angemietet hatte, der Mietvertrag läuft Ende September aus. Aus der nahen Wollstraße, der Gemeinschaftsunterkunft direkt am Rande des Wertstoffhofs, sollen weitere Menschen hierher verlegt werden, die sind dort bislang in Hallen untergebracht. Die Unterkunft an der Wollstraße ist laut Informationen der Stadt auf der jüngsten Sitzung des städtischen Sozialausschusses „nahezu vollständig ausgelastet“, und die im Ausschuss präsentierten Zahlen erlauben auch einen Blick darauf, warum das so ist: Von den gut 1900 derzeit in Ludwigshafen von der Stadt untergebrachten Geflüchteten besitzen gut 1150 eine Aufenthaltserlaubnis. Diese Menschen müssten also eigentlich nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften oder städtischen Wohnungen leben – und sie tun dies trotzdem.

Stadtplanerisches Ghosting

Warum das so ist, erschließt sich, wenn man sich umwendet und die Brücke besteigt, die über die Straßenbahnlinie führt: Linker Hand soll die „Heinrich-Pesch-Siedlung“ entstehen, eigentlich ein Vorzeigeprojekt bezahlbaren Wohnens, 800 geplante Wohneinheiten mit angestrebter sozialer Durchmischung der Bewohner. Im Jahr 2021 hätte eigentlich Baubeginn sein sollen im Viertel, dessen Entstehung der Jesuitenorden gemeinsam mit der Katholischen Gesamtkirchengemeinde angestoßen hat. Zurzeit sieht das Gelände allerdings aus, als hätte der Hochbau ein Date mit dem Tiefbau platzen lassen, stadtplanerisches „Ghosting“, sozusagen: Straßennetz und Straßenbäume stehen bereits, dazwischen kein einziges Gebäude. Der Eindruck ist wahlweise gespenstisch oder bizarr.

Einen Investor hat man bisher, so die Geschäftsführer der Pesch-Siedlungs-GmbH gegenüber der Ludwigshafener Lokalausgabe der RHEINPFALZ, der wird frühestens 2025 anfangen zu bauen, sozialgebundenen und damit geförderten Wohnraum. Ohne Förderung zu bauen, ist zurzeit wohl schlicht zu teuer und damit für Investoren kaum lohnend. So teuer, dass selbst die städtische Wohnungsbaugesellschaft GAG in der Pesch-Siedlung nur beratend tätig ist. „Konkrete Bauprojekte seitens der GAG (in der Siedlung, d. Red.) sind momentan nicht geplant“, so das Unternehmen auf Anfrage. Die Gründung einer Baugenossenschaft eigens für das Viertel wird derzeit vorbereitet.

 Tristesse mit Farbtupfern: Hausmeisterbüro an den „weißen Blöcken“ in der Bayreuther Straße.
Tristesse mit Farbtupfern: Hausmeisterbüro an den »weißen Blöcken« in der Bayreuther Straße.

„Mal Freundschaftsfeste machen“

Dies ist also ein beispielhaftes Tableau im Lande derer, die zunehmend von der Ahnung geplagt werden, sich beim Thema Migration wohl gründlich überhoben zu haben: In den alten Blocks an der Bayreuther Straße die, die hier sowieso nicht rauskommen, „wenn man hier wohnt, ist man gebrandmarkt“, sagt einer aus der Runde im Hof zwischen den roten Blöcken. Direkt daneben die neue Containersiedlung derer, die auch nicht rauskommen, weil es nicht genügend bezahlbaren Wohnraum gibt. Und dahinter Straßen und Bäume, die auf den Zuzug von günstigen Wohnungen warten, aber irgendwie kommen die nicht bei.

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