Gesundheit Aus der Pfalz: Eine Digitalstrategie gegen das Mpox-Virus

Zwei ugandische Frauen mit dem Audiopedia-Code, der zu den Tipps rund um Mpox in der Landessprache führt.
Zwei ugandische Frauen mit dem Audiopedia-Code, der zu den Tipps rund um Mpox in der Landessprache führt.

Die WHO hat den Mpox-Ausbruch im Kongo und in Nachbarländern gerade zur gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite erklärt. Schon hilft die Pfälzer Initiative „Audiopedia“ mit Gesundheitsinfos zum Hören per QR-Code.

Was sind die Symptome von Mpox, dieser früher „Affenpocken“ genannten Infektionskrankheit, die auch für Menschen gefährlich sein kann? Wie kann man sich dagegen schützen? Das sind derzeit entscheidende, vielleicht lebensentscheidende Fragen für Menschen in der Demokratischen Republik Kongo, wo 2023 eine neue Variante von Mpox ausgebrochen ist, und für Menschen in den Nachbarländern Burundi, Kenia, Ruanda und Uganda, wo im Juli ebenfalls erste Fälle dieser neuen Variante aufgetreten sind.

Die Antworten auf genau diese entscheidenden Fragen können Menschen in Zentral- und Ostafrika, wo ein großer Teil der Bevölkerung nicht lesen kann, heute schon auf ihrem Handy hören – oder auf dem Handy einer Freundin oder eines Familienmitglieds. Die Fragen und Antworten wurden in einfacher Sprache aufgesprochen von lokalen Sprecherinnen und Sprechern und in den fünf verbreitetsten Sprachen der Region, darunter Französisch, Englisch und Suaheli. Diese Audiodateien, die über einen QR-Code zum Beispiel auf Plakaten zugänglich gemacht werden, wurden von der Südpfalz aus auf den Weg gebracht – von der Audiopedia Foundation der Eheleute Felicitas und Marcel Heyne aus Annweiler.

Eine Frau in Uganda mit dem Audiopedia-Code, der zu den Tipps rund um Mpox führt.
Eine Frau in Uganda mit dem Audiopedia-Code, der zu den Tipps rund um Mpox führt.

Über 20 Millionen Nutzerinnen und Nutzer

Beide haben sich 2015 gefragt: Wie können wir sicherstellen, dass in abgelegenen und oft benachteiligten Gemeinschaften die richtigen Informationen zur richtigen Zeit ankommen? Ihre Lösung lautete: Mit der Audiopedia-Datenbank und über 400 Hörbeiträgen im Frage-Antwort-Stil, die kostenlos online zur Verfügung gestellt werden und in mittlerweile rund 30 Sprachen abrufbar sind (mehr dazu finden Sie auch hier: Audiopedia: Der weltweite Wissens-Turbo aus der Pfalz). „Gerade jetzt, wo die Mpox-Epidemie in Zentralafrika wütet und die Menschen vielerorts auf sich selbst gestellt sind, ist Aufklärung wichtiger denn je“, meldet Audiopedia. Die gemeinnützige Organisation habe bereits während der Covid-19-Pandemie gezeigt, „dass Bildung nicht an Schrift gebunden sein muss“. Über 20 Millionen Frauen in Slums von Mumbai bis zu Flüchtlingslagern in Uganda hätten durch Audiopedia Zugang zu lebenswichtigen Gesundheitsinformationen erhalten. Die Hörtexte decken ein breites Spektrum ab – von grundlegenden Hygienemaßnahmen über Ernährung bis zu finanzieller Bildung. Der Grundansatz von Audiopedia ist dabei ein feministischer. „Weltweit sind zwei von drei Menschen, die nicht lesen können, Frauen“, sagt Felicitas Heyne, „und gerade Frauen wurden durch die Covid-19-Pandemie weiter zurückgeworfen.“

Frauen in Nigeria scannen den QR-Code mit den Mpox-Infos.
Frauen in Nigeria scannen den QR-Code mit den Mpox-Infos.

Die Basis: Informationen der WHO

„Unsere Informationen basieren auf dem Wissen der Weltgesundheitsorganisation“ – so erklärt Marcel Heyne im Gespräch mit der RHEINPFALZ am SONNTAG, wie die Pfälzer Initiative so zügig Audiodateien zu Mpox zur Verfügung stellen konnte. Das Virus sei ja nicht neu, und die Weltgesundheitsorganisation habe bereits vor zwei Jahren Handlungsempfehlungen veröffentlicht. In über acht Jahren habe Audiopedia zudem viele Kontakte in die heute betroffenen Länder aufgebaut – und eine Übersetzungstruppe aus Freiwilligen, ein „Crowd Translation Projekt“. Die Freiwilligen übertragen die WHO-Empfehlungen in die Landesprachen.

Dass die Menschen in den abgelegnen Regionen von dem Angebot erfahren, dafür sorgen – so dezetral wie möglich – lokale Partnerorganisationen. Dieser Ansatz ist für Marcel und Felicitas Heyne ein ganz entscheidender. Denn die Erfahrung zeige, dass während früherer Gesundheitskrisen wie den Ebola-Epidemien Informationen häufig entweder gar nicht oder zu spät bei den Menschen angekommen seien. Das habe zu Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und internationalen Hilfsorganisationen geführt. Hier setze nun Audiopedia an: Mit Gesundheitsinformationen, die in den lokalen Gemeinschaften verbreitet werden. Durch das Veröffentlichen von QR-Codes an vertrauten Orten wie Bäumen oder Gemeindetreffpunkten erreichten die Informationen die Menschen dort, wo sie sich ohnehin aufhalten. Dies schaffe nicht nur Zugang, sondern auch Vertrauen. „Wir versuchen, lokale Strukturen zu nutzen“, fasst es Marcel Heyne zusammen. Auf diese Weise haben Marcel und Felicitas Heyne auch schon mit der Leprahilfe zusammengearbeitet (hier geht’s zum Beitrag Lepra: Handy-Einsatz gegen Aussatz).

Symbolisch: QR-Codes von Audiopedia an einem Mangobaum in Uganda.
Symbolisch: QR-Codes von Audiopedia an einem Mangobaum in Uganda.

„In keinem Bereich wird so gespart“

Apropos Strukturen. In Krisenzeiten mit Kriegen, Wirtschaftsflaute und einer Öffentlichkeit, die in Teilen kritischer auf Themen wie Migration, aber auch auf die deutsche Entwicklungshilfe schaut (Schlagwort „Radwege in Peru“), wird die Arbeit für Initiativen wie Audiopedia nicht einfacher. Im neuesten Bundeshaushalt sei „in keinem Bereich so gespart worden wie bei der Entwicklungszusammenarbeit“, sagt Felicitas Heyne. Das spürt auch Audiopedia. Zweieinhalb Jahre lang sind die Pfälzer vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziell unterstützt worden. Eine Zusage für ein weiteres Jahr steht – aber wie es danach weitergeht, ist offen.

Wirtschaftlich vielfältig aufgestellt

Zum Glück für Audiopedia und deren bislang rund 20 Millionen Nutzerinnen und Nutzer steht die südpfälzische Initiative wirtschaftlich auf mehreren Beinen. Die Expertise von Felicitas und Marcel Heyne in den Bereichen Technik und digitale Entwicklung, aber auch in der Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen vor Ort, beschert ihnen Aufträge als Dienstleister. Zum Beispiel den von der Welthungerhilfe, für ein Projekt in Äthiopien zu den Themen Hygiene und sauberes Wasser Audiodateien in der Sprache Oromo zu produzieren. Außerdem arbeiten die Heynes mit internationalen Unternehmen aus der Tech-Branche zusammen. Audiopedia wird auch von der Postcode-Lotterie unterstützt. Aber, sagt Felicitas Heyne: „Wir sind auf Spenden angewiesen“ – wenn das Projekt Audiopedia weiter mit der gleichen Dynamik vorangebracht werden soll wie in den vergangenen gut acht Jahren.

Das Ziel lautet: „In einer Welt, in der digitale Lösungen oft nur in Großstädten und Industrieländern umgesetzt werden, setzt Audiopedia ein Zeichen dafür, dass auch einfache Technologien tiefgreifende Veränderungen bewirken können.“ Das trage nicht nur zur Eindämmung der aktuellen Mpox-Epidemie bei, sondern lege auch „den Grundstein für eine widerstandsfähigere und informierte Gesellschaft.“

Zur Sache: Audiopedia

Während der Covid-19-Pandemie wurde Audiopedia von EU und Bundesentwicklungsministerium ausgewählt, um Millionen Menschen im globalen Süden über wichtige Gesundheitsmaßnahmen aufzuklären – mit dem innovativen Ansatz von QR-Codes zur Verbreitung von Audiodateien als kostengünstige Lösung, um auch die abgelegensten Regionen zu erreichen. Vertreter des Entwicklungsprogramms der UN waren von dem Konzept einer allzeit und überall verfügbaren, hörbasierten Enzyklopädie des nützlichen Alltagswissens so überzeugt, dass sie die Idee aus der Pfalz auf eine Liste mit 34 digitalen Lösungen setzte: als digitaler Turbo für die Bildung von Mädchen und Frauen, um die Ungleichheit der Geschlechter möglichst rasch zu verringern. Die Inhalte werden ständig aktualisiert, um sicherzustellen, dass neueste Gesundheitsinformationen sofort zur Verfügung stehen.

Hier geht’s zur deutschsprachigen Internetseite der Audiopedia-Foundation.

Info

Dieser Artikel stammt aus der RHEINPFALZ am SONNTAG, der Wochenzeitung der RHEINPFALZ. Digital lesen Sie die vollständige Ausgabe bereits samstags im E-Paper in der RHEINPFALZ-App (Android, iOS). Sonntags ab 5 Uhr erhalten Sie dort eine aktualisierte Version mit den Nachrichten vom Samstag aus der Pfalz, Deutschland und der Welt sowie besonders ausführlich vom Sport.

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