Kommentar Das Leid mit den alternden Stars

Der 39-jährige Cristiano Ronaldo gehört zu jenen Superstars, die sich mit dem Aufhören schwer tun.
Der 39-jährige Cristiano Ronaldo gehört zu jenen Superstars, die sich mit dem Aufhören schwer tun.

Superstars haben es nicht einfach. Und wir nicht mit ihnen. Allzu oft schätzen wir sie erst gegen Ende ihrer Karriere.

Novak Djokovic ist bei den US Open so früh ausgeschieden wie schon seit Beginn seiner langen, erfolgreichen Karriere nicht mehr. Sicher, er wurde kürzlich Olympiasieger, komplettierte damit seinen Karriere-Golden-Slam und feierte den Moment mit einer Emotion, wie man sie selten bei ihm sieht. Dennoch: Die US Open und der gesamte Saisonverlauf deuten darauf hin, dass nun auch für den serbischen Superstar die Götterdämmerung angebrochen ist. Die Zeit, ab der er nicht mehr auf dem Leistungsniveau agiert, das die Sportwelt von ihm gewöhnt ist.

Es wird nun interessant zu beobachten, ob der Rekord-Grand-Slam-Sieger jenen Fehler vermeidet, den so viele große Sportler vor ihm gemacht haben: Er muss den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören finden, um nicht seinen Status zu unterhöhlen. Beispiele für Superstars, die an dieser Frage gescheitert sind, gibt es auch im Tennis zuhauf. Aktuell tut sich Rafael Nadal schwer damit, sich zurückzuziehen – obwohl der Spanier bereits seit gefühlt drei Jahren aufgrund von Verletzungen nur noch ein Schatten seiner selbst ist, eher Mitleid als Anerkennung für sportliche Erfolge erntet.

Bereitet das noch Freude?

Was ihn dazu treibt? Eine Antwort darauf ist nur schwer zu finden. Erfolge oder Geld können es nicht sein – von beidem hat er mehr als genug. Zugleich ist es schwer vorstellbar, dass ihm der Beruf des Tennisspielers noch so uneingeschränkt Freude bereitet wie einst, wenn zum harten Training die fortwährenden Schmerzen kommen.

Wie elegant haben es da hingegen Steffi Grad oder, noch früher, Björn Borg gelöst, die sich vom Profitennis entweder auf dem Höhepunkt ihres sportlichen Schaffens oder zumindest deutlich vor Überschreiten ihres Zenits verabschiedet. Und die damit so nebenbei ihren Legenden-Status noch untermauert haben.

Negativbeispiel: Cristiano Ronaldo

Es wäre allerdings unfair, sich bei dieser Frage zu sehr auf Tennisspieler zu kaprizieren. Stars, die nicht aufhören können, selbst wenn der Zahn der Zeit an ihnen und ihrer Leistung nagt, gibt es kreuz und quer durch alle Sportarten. Besonders tragisch war da in jüngster Zeit der Auftritt von Cristiano Ronaldo bei der Fußball-Europameisterschaft, als der Kapitän der portugiesischen Nationalmannschaft mit seinen 39 Lenzen wie Falschgeld übers Feld trabte. Dass er nun angekündigt hat, am liebsten erst dann aufhören zu wollen, wenn er es wie der grandiose Pele auf 1000 Karrieretore gebracht hat, war schon erschreckend.

Das zeigt zugleich, dass auch wir Sportinteressierte so unsere Einstellungsprobleme mit alternden Stars haben. Wollen wir den nämlichen Athleten nach einer langen, erfolgreichen Karriere tatsächlich unter ferner liefen mitwirken sehen? Oder lohnt es sich, darauf zu warten, dass er doch ein allerletztes Mal seine Brillanz aufblitzen lassen könnte und wir teilhaben dürfen?

Langeweile unerwünscht

Ohnedies tun wir uns über die gesamte Karriere von Ausnahmekönnern hinweg schwer mit unserer Haltung. Allzu oft ändert diese sich nach folgendem Muster: Zunächst bewundern wir den jungen Sportler, der daran geht, die Hackordnung in seiner Disziplin zu ändern und die Etablierten vom Thron zu stoßen. Hat er dann ausreichend Jahre der Dominanz auf dem Buckel, wandelt sich die anfängliche Begeisterung in irgendeine Spielart der Antipathie – vorausgesetzt, er tritt nicht gerade für das bevorzugte eigene Team an.

Das hat viel damit zu tun, dass Sportinteressierte Überraschungen mögen, Außenseiter unterstützen und Langeweile durch ewig gleiche Sieger verabscheuen. Und irgendwann, nach langer Zeit, reift der Gedanke, wie sehr man gesegnet ist, wenn man die Karriere eines Ausnahmekönners hat leibhaftig miterleben dürfen.

Vielleicht sollten wir uns das schon früher bewusst machen. Sogar dann, wenn es um einen nicht sehr sympathischen Akteur wie Novak Djokovic handelt.

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Dieser Artikel stammt aus der RHEINPFALZ am SONNTAG, der Wochenzeitung der RHEINPFALZ. Digital lesen Sie die vollständige Ausgabe bereits samstags im E-Paper in der RHEINPFALZ-App (Android, iOS). Sonntags ab 5 Uhr erhalten Sie dort eine aktualisierte Version mit den Nachrichten vom Samstag aus der Pfalz, Deutschland und der Welt sowie besonders ausführlich vom Sport.

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