Saach blooß – die Dialektserie RHEINPFALZ Plus Artikel „Es“ knallt – oder: Die versächlichte Frau

Das pfälzische „Es“ aus der Sicht des Karikaturisten. Seine Skizzen zu „Saach blooß“ will Uwe Herrmann eigentlich nicht veröffen
Das pfälzische »Es« aus der Sicht des Karikaturisten. Seine Skizzen zu »Saach blooß« will Uwe Herrmann eigentlich nicht veröffentlicht sehen. »Die sind mir nicht gut genug«, sagt der Perfektionist. Nach knapp 22 Jahren unserer Dialektserie konnten wir ihn aber endlich davon überzeugen, den Leserinnen und Lesern die »Sekunden-Illustrationen« vorzustellen, die ihm zum Thema »es« aus der Feder geflossen sind.

Mit den Artikeln „der“, „die“ und „das“ machen die Pfälzer verrückte Sachen. Sie tauschen sie aus, sie packen sie hin, wo sie nicht hingehören. Und vor allem: In der Kurzform „es“ stellen sie den sächlichen Artikel vor Frauennamen.

Die Artikel „der“, „die“ und „das“ sind im Pfälzischen nicht nur langweilige Wörtchen, die das Geschlecht anzeigen. Immer wieder dokumentieren sie auch ziemlich skurrile sprachliche Phänomene. Phänomen 1 heißt: „Die Pfälzer Geschlechtsumwandlung.“ Hierzulande sagt man „die Bach“, „de Butter“ und „de Schoklaad“, nicht wie im Hochdeutschen „der Bach“, „die Butter“ und „die Schokolade“. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. „Die Klub“ wird der Fußballverein FK Pirmasens genannt, und manchmal ist sogar „die Reis“ zu hören (gemeint ist das asiatische Korn, nicht der Ferientrip). Das Flüsschen „Glan“ wechselt das Geschlecht sogar mitten in seinem Verlauf – wohl in der Nähe von Altenglan, wie ein Leser 2003 berichtete, als es in Folge 23 unserer Dialektserie erstmals um die vertauschten Artikel ging (nachzulesen im Buch „Saach blooß“).

Phänomen 2 besagt: Anders als im Hochdeutschen werden im Pfälzischen Eigennamen stets mit einem Artikel versehen. Aus „Karla kommt morgen“ wird „Die Karla kimmt morsche“ oder „Die Karla kummt morje“. Aus „Hast du Helmut gesehen?“ wird „Hoscht du de Helmut g’seh(n)e?“ oder „Hasch du de Helmut gesieh?“ Soll heißen: Die Dialektversionen vun Wörtern wie „kommen“ oder „morgen“ können zwar stark variieren, aber überall gilt unumstößlich: „Kein Name ohne Artikel!“ Phänomen 2 ist übrigens eine der Eigenheiten, die manch einen Pfälzer verraten, der sich auf Hochdeutsch abmüht.

„Die versächlichte Frau“

Phänomen 3 ist das wunderlichste: „Die versächlichte Frau“. Nach diesem hatte wir in der jüngsten Folge gefragt. Es kombiniert – ausschließlich in der West- und in der Südwestpfalz – die Phänomene 1 und 2. Frauennamen wird dort ein bestimmter Artikel vorangestellt, allerdings kein weibliches „die“, sondern ein sächliches „das“, verkürzt zu „es“ oder „’s“.

„Ihm seiner“ – das gibt’s nur in der Pfalz. Erst recht, wenn dabei von einer Frau die Rede ist.
»Ihm seiner« – das gibt’s nur in der Pfalz. Erst recht, wenn dabei von einer Frau die Rede ist.

„Es Beate sitzt dort hinne“, nennt Claus Becker aus dem rheinhessischen Mauchenheim als Beispiel, das er nur von seinen Besuchen im Westen „uff de Musik“ kennt. „Es Claudia geht schunn in die Kinnerschul“ lautet ein Beispiel von Barbara Dürk aus Hochdorf-Assenheim. Sie hörte das erstaunliche „es“ zum ersten Mal in Landstuhl. Die Leserin wundert sich noch heute: „Den ganzen Tag über hörte ich es immer wieder. Und es klang ganz normal. Fast wie eine Auszeichnung.“ – „Und dann war da noch der Vater, der behauptete, dass die Vornamen seiner Töchter alle mit ,s’ beginnen“, schreibt Reinhard Hartmann aus Kaiserslautern: „’s Lisbeth“, „’s Katharina“, „’s Erna“.

Carsten Heinisch aus Kaiserslautern berichtet: „Auch wenn ich jetzt schon 40 Jahre in der Pfalz bin, sprachlich bin und bleibe ich der gebürtige Niedersachse. Und so verwundert es mich immer noch, wenn hier in der Westpfalz mit ,es’ die Frau und mit ,ees’ die Schwiegermutter bezeichnet wird.“ Wir vermuten hier mal die Botschaft: Je länger das „eeees“, desto größer die Distanzierung von der Person, um die es geht. Dazu passt folgender Kurzdialog: „Wer hat denn diesen Saustall angerichtet?“ – „Eees!“ (mit Fingerzeig).

Unfreiwillige Geschlechtsumwandlung

Peter Grill aus St. Julian wiederum spricht ganz eindeutig von einem stets sehr kurzen „e“ beim „es“ vor weiblichen Namen . Anders könne es gar nicht sein, meint der Leser, wenn es sich um die Kurzform von „das“ handele, von der nur das „s“ übrig geblieben ist – wie beim hochdeutschen „aufs“ (Dach) oder „fürs“ (Protokoll) .

Warum aber geschieht das in der Westpfalz vor weiblichen Vornamen? Die einfachste Antwort dürfte die richtige sein: Das „das“ vor dem weiblichen Namen geht auf „das Mädchen“ oder „das Fräulein“, pfälzisch: „Frollein“, zurück – beides sächliche Hauptwörter. „’s Judith’ bedeutet ,das Mädchen Judith’“, schreibt Bertram Steinbacher aus Lingenfeld. „Das ,es’ bezieht sich auf ein Mädchen oder eine jüngere Frau“, sagt auch Doris Rittmann aus Birkenheide. Das Geschlecht von „Knabe“ oder „Bub“ sei wie bei „Herr“ männlich, weshalb junge Männer um die unfreiwillige Geschlechtsumwandlung herumkommen, erklärt Reinhard Hartmann.

Stellt sich die Frage, was all das über das Frauenbild aussagt. Die Meinungen gehen da auseinander.

Peter

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