Kommentar Her mit den „Challenges“

War es passives Abseits vor dem Tor von St. Pauli gegen Dortmund?
War es passives Abseits vor dem Tor von St. Pauli gegen Dortmund?

Die Kritik am VAR wird nicht weniger. Zeit für Änderungen, findet auch der Schiri-Boss. Aber wenn, dann bitte direkt auf der großen Bühne.

Es brauchte mehr Minuten, um die Korrektheit des Tors von Jamie Leweling zu überprüfen als der Stürmer des VfB Stuttgart benötigte, um nach seinem Debüt in der deutschen Nationalmannschaft einen Treffer zu erzielen. Wenn solche Vergleiche möglich sind, wird deutlich, dass etwas nicht stimmt. Letztlich überstand die frühe Führung gegen die Niederlande vor einigen Tagen den Videocheck nicht. Der Jubel vergebens, Leweling konnte ihn später glücklicherweise nachholen.

Es vergeht kaum mehr ein Fußballspiel, währenddessen oder nachdem nicht über den Videoassistenten diskutiert wird. Manchmal hilft nur noch Galgenhumor. Sehen mittlerweile auch manche Fernsehkommentatoren so, wenn sie sich darüber mokieren, ein Spieler habe mit dem Schultergelenk im Abseits gestanden. Oder mit dem Nagel des kleinen Zehs.

Dabei ist der Videobeweis an sich eine gute Sache. Der Fußball hat viel zu lange gezögert, technische Hilfe zuzulassen – nur ist er dann über das Ziel hinausgeschossen. Er versucht, das Spiel bis ins kleinste Detail zu versachlichen – statt einfach nur gerechter zu machen. Selbst durch Videostudium sind Entscheidungen, die Interpretation benötigen, nicht eindeutig zu klären, Stichwort Handspiel. Und Kalibrierte Abseitslinien? Bedeuten vor allem eins: Stillstand in einem eigentlich doch so dynamischen Spiel.

Es muss sich etwas ändern beim VAR

Am Freitag wurden Schiedsrichter und Videoassistenz nun mit einer ohnehin schwierig zu beurteilenden Angelegenheit konfrontiert: passives Abseits. Nahm St. Paulis Oladapo Afolayan Dortmunds Torwart Gregor Kobel die Sicht, als Eric Smith aus 25 Metern ins Tor traf? Der Torhüter empfand es so, Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck nicht und gab den Treffer. Am Ende waren alle irgendwie bedient. „Um ehrlich zu sein, ich habe genug vom VAR und Fußball. Für mich ist der VAR Unsinn“, sagte Afolayan. Tags drauf griff der VAR nicht ein, als Leverkusens Jonathan Tah den heranstürmenden Frankfurter Hugo Ekitike mit einem Schubser in den Rücken zu Fall brachte. Schiri Felix Brych gab kurz vor Schluss keinen Elfmeter.

Es muss sich etwas ändern beim Videoschiedsrichter. Sehen auch die so, um die es geht. „Wir als Schiedsrichter sind allem gegenüber aufgeschlossen, was dem Fußball guttut“, sagte Knut Kircher nun. Der Geschäftsführer der Schiedsrichter-GmbH des Deutschen Fußball-Bundes brachte sogenannte „Challenges“ ins Spiel. Endlich! Dabei können die Trainer eine gewisse Anzahl an Entscheidungen des Schiedsrichters im Nachgang überprüfen lassen. Ein Modell, das in anderen Sportarten schließlich auch funktioniert, siehe American Football. Und keine Sorge: Diskussionspotenzial gibt es trotz allem noch genug.

Verlieren die Trainer eine „Challenge“, braucht es eine „Strafe“. Sie könnten etwa eine Auswechslung verlieren. Davon gibt es mittlerweile ja auch fünf statt wie früher drei. Die Schiris sind laut Kircher offen für das Thema, die Deutsche Fußball-Liga derweil winkt ab: Sie beschäftigt sich aktuell nicht damit. In Italien wird die Alternative in der Serie C, der dritthöchsten Spielklasse getestet. Die Fifa probiert das System bei der U20-WM der Frauen. Bezeichnend. Denn wenn wirklich geschaut werden soll, ob die Alternative besser ist als der derzeitige VAR, sollte sie bei größtmöglichem Publikum getestet werden – und nicht bei Wettbewerben, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

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