Fitness Warum Bewegung im Freien so gut tut

Unebenheiten und wechselnde Bedingungen in der Natur trainieren auch unser Gleichgewicht.
Unebenheiten und wechselnde Bedingungen in der Natur trainieren auch unser Gleichgewicht.

Die Tage werden länger, die Sonne scheint kräftiger. Bei vielen wächst die Lust, sich draußen mehr zu bewegen. Warum man das auch unbedingt tun sollte.

Es gibt Sportler, die in jeder Jahreszeit draußen trainieren. Beispielsweise Fußballer. Und es gibt Outdoor-Sportler. Zum Beispiel Kletterer, Mountainbiker, Wassersportler. Aber Outdoorsport, der seit Corona einen Schub erhalten hat, ist mehr als „nur“ Sport im Freien. Darauf hat Manuel Sand, Professor für Sportwissenschaft und Outdoorsport und Adventuremanagement an der bayerischen Hochschule für angewandtes Management, in einem Podcast mit der Ärztin Yael Adler hingewiesen. Outdoorsport zeichne sich, so der Sportwissenschaftler, außerdem dadurch aus, dass ein intensiver Austausch mit der Natur stattfinde. Und der bewirke Positives. Etwa, dass Menschen schneller entspannen könnten, dass ihre Kreativität angeregt werde.

Ohne Barrieren fehlen auch Herausforderungen

Dass die Natur gut tut, würden die meisten Menschen unterschreiben. Doch warum soll Sport im Freien für Körper und Geist besser sein als Training in geschlossenen Räumen? Damit haben sich unter anderem Wissenschaftler in Hamburg aus bewegungswissenschaftlicher Sicht beschäftigt und 2015/2016 in Kooperation mit dem Sportbund, der Stadt und der Parksportinsel Wilhelmsburg ein Konzept für Sport und Bewegung im urbanen Raum erarbeitet. Die promovierte Sportwissenschaftlerin Henrike Adler, die heute als Heilpraktikerin und Osteopathin arbeitet, war maßgeblich daran beteiligt.

Die „Alla-hopp!“-Anlage“ in Ilbesheim: Hier kann auch mit Geräten trainiert werden.
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Sport im Freien: Ohne und mit Gerät

Grundsätzlich bringe Sport draußen mehr als drinnen, sagt sie. Das Thema ist für sie aktueller denn je – in Zeiten, in denen sich viele nicht mehr ausreichend bewegen und das Lebensumfeld gerade in Städten immer gleichförmiger wird. Eine möglichst barrierefreie Umgebung, wie sie für Menschen mit Funktionseinschränkungen zwar wichtig ist, werde dagegen für Menschen ohne Einschränkung aus bewegungswissenschaftlicher Sicht zum Problem, stellt Henrike Adler fest. Denn dadurch würden körperliche Potenziale nicht mehr richtig genutzt, verschlechterten sich Funktionen durch Nichtbeanspruchung. Deswegen sei es wichtig, für Bewegungsherausforderungen zu sorgen. Dabei, sagt Henrike Adler, müsse es keineswegs anstrengender Sport sein, schon regelmäßige Bewegung im Freien bringe etwas. Denn, so das Fazit von ihr und ihren Kollegen: Natürliche Umfelder wie Parks oder Wälder weisen gesundheits- und bewegungsrelevante Eigenschaften auf, die in nicht-natürlichen Umfeldern wie in Gebäuden fehlen.

Pluspunkte für die Gesundheit

Licht, Grün und frische Luft wirken sich positiv aus auf unsere Gesundheit. Tageslicht ist in der Regel heller als künstliches Licht und die UV (B)-Strahlung des Sonnenlichtes wird auch zur Bildung des lebenswichtigen Vitamin D benötigt, das unter anderem vor Osteoporose schützt. Sonnenlicht scheint aber ebenso für einen funktionierenden Schlaf-Wach-Rhythmus von Bedeutung zu sein. Dem Grün von Pflanzen werden in unterschiedlichen Studien positive Wirkungen zugeschrieben. Zum Beispiel die Senkung des Blutdrucks bei Büroarbeitern, ein niedrigerer Stresslevel, weniger Kopfschmerzen und Erkrankungen bei Menschen, die bei der Arbeit Aussicht auf Bäume und Blumen haben, im Vergleich zu Kollegen mit Blick auf Gebäude. Und für frische Luft gilt unter anderem: Der Sauerstoffgehalt ist draußen in der Regel höher, insbesondere in der Vegetation. Insgesamt wird dem natürlichen Umfeld ein positiver Effekt auf das Immunsystem zugeschrieben.

Warum Bewegung draußen gut ist

Hinzu kommen für die Wissenschaftler schließlich die Effekte durch die Bewegung in einem solchen Umfeld. Diese sind für die Forscher deutlich erkennbar: sowohl für den Bewegungsumfang als auch für die Intensität und die Qualität des Sich-Bewegens. Denn Bewegung in der Natur erfordert vom Körper andere Wahrnehmungen und Reaktionen als in einem künstlich gestalteten Umfeld.

Regelmäßige Bewegung auf unebenem Boden in der Natur ist besser als auf künstlich geschaffenem gleichmäßigem Untergrund. Denn in der Natur gibt es eben unterschiedliche Herausforderungen für unseren Körper – wechselnde Licht- und Temperaturverhältnisse, Nässe, Vegetation. Und diese schärfen Konzentration und Sinne und führen zu einem größeren Bewegungsspektrum. Je besser man den Untergrund wahrnehme, umso angemessener könne man sich darauf bewegen, stellen die Wissenschaftler fest.

Unterforderung hat negative Folgen

Je gleichförmiger also unser Untergrund auf Dauer ist, umso gleichförmiger dürften unsere Bewegungen werden. Damit können wir unseren Körper am Ende unterfordern – koordinative Schwächen und eine gesteigerte Unfallhäufigkeit drohen. Allzu gleichförmige Bewegung kann allerdings auch zu Überlastung führen. Beim Joggen nur auf asphaltiertem Untergrund können beispielsweise bestimmte Gelenke und Sehnenansätze überstrapaziert werden.

Ständige Gleichgewichtsherausforderungen tun uns daher aus Sicht der Autoren gut. Denn sie fordern Flexibilität und Anpassung, und zwar bei jedem Schritt. Sie seien, so die Studie, daher als Trainingsanreiz zu begreifen, der es ermögliche, neben den konditionellen auch die koordinativen Aspekte zu bedienen. Das heißt: Neben Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Schnelligkeit würden durch Bewegung oder Spiele auf unebenem Boden auch Wahrnehmung, Reaktion, Orientierung und vor allem das Gleichgewicht trainiert.

Alle Altersgruppen können profitieren

Das trifft auf alle Altersgruppen zu. Kindliche Spielaktivitäten, darauf verweisen die Autoren, nähmen mit der Komplexität des Geländes und den Spielmöglichkeiten sowohl im Umfang als auch in der Intensität zu. Kinder in Waldkindergärten zeigten beispielsweise laut einer schwedischen Studie einen sensomotorischen Vorsprung gegenüber Altersgenossen und eine bessere Konzentrationsleistung. Und bei Erwachsenen, auch älteren, könne die sensomotorische Entwicklung durch ein natürliches Umfeld angeregt werden. Durch die draußen geforderten Ausgleichsbewegungen werde etwa die gelenksstabilisierende Muskulatur gestärkt – gut für die Sturzprophylaxe.

Es gibt also gute Gründe, raus zu gehen. Und keinen ernsthaften dagegen. Das April-Wetter zählt nicht. Zwischendurch ist es ja auch mal trocken.

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Dieser Artikel stammt aus der RHEINPFALZ am SONNTAG, der Wochenzeitung der RHEINPFALZ. Digital lesen Sie die vollständige Ausgabe bereits samstags im E-Paper in der RHEINPFALZ-App (Android, iOS). Sonntags ab 5 Uhr erhalten Sie dort eine aktualisierte Version mit den Nachrichten vom Samstag aus der Pfalz, Deutschland und der Welt sowie besonders ausführlich vom Sport.

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