DFB-Pokal Elfer-Krimi: Leipzig hat die besseren Nerven

Hier ist der Pott. Nkunku mit dem Pokal.
Hier ist der Pott. Nkunku mit dem Pokal.

RB Leipzig gewinnt am Samstagabend das 79. DFB-Pokal-Finale mit 5:3 (0:1, 1:1) im Elfmeterschießen gegen den SC Freiburg – und das trotz Unterzahl. Es war ein Krimi mit zwei tragischen Figuren: Christian Günter und Ermedin Demirovic.

Der Freiburger Kapitän drosch das Leder vom Punkt über das Tor, der eingewechselte Stürmer traf die Latte. Bitter für die Breisgauer, die lange auf der Siegerstraße waren. Vor allem, nachdem RB bereits in der 57. Minute Marcel Halstenberg wegen einer Notbremse verlor, aber in Unterzahl zurückkam und die Verlängerung erzwang. Nkunku egalisierte in der zweiten Halbzeit Eggesteins Führung (19.). Es war ein rassiges und bisweilen hochklassiges Finale.

Ein Farben- und Fahnenmeer in Rot-Weiß bei traumhaften Bedingungen im ausverkauften Olympia-Stadion. Stolze Südbadener, die zu Tausenden vom Breitscheidplatz beseelt durch die Stadt zur traditionsreichen Spielstätte zogen, auf der einen, selbstbewusste Sachsen auf der anderen Tribünenseite. Nach zwei verlorenen Finals (2019, 2021) wollten sie den Pott endlich in den Osten der Republik holen. Gänsehautstimmung, pure Fußballlust, Adrenalin überall. Eine fantastische Stimmung.

SC-Führung und die Kurve explodiert

Alles andere als fantastisch waren die nach einer Viertelstunde im Freiburger Block gezündeten Bengalos kurz nach der ersten Großchance des Spiels. Der schwedische RB-Unruhstifter Emil Forsberg hatte sich links in den Strafraum durchgetankt, doch Flekken parierte vorzüglich (14.).

Maximilian Eggestein machte es in der 19. Minute besser bei Freiburgs erster Gelegenheit. Nach Günters Hereingabe schlenzte er die Kugel aus gut 18 Metern unbedrängt und unhaltbar ins linke untere Eck. Das Feuerwerk in der SC-Kurve war da zwar schon erloschen, aber der rote Block explodierte dennoch – und hielt fünf Minuten später den Atem an nach einer völlig missglückten Kopfballabwehr Höflers am Fünfmeterraum, die Nkunku hätte zum 1:1 verwandeln müssen. Wieder war Flekken zur Stelle. Nico Schlotterbeck klärte rustikal und feierte die Rettungstat mit geballten Fäusten. Emotion pur. TV-Kommentator Bastian Schweinsteiger adelte den künftigen Dortmunder zurecht als „Fels in der Brandung“. In dieser Form ist er ein WM-Kandidat.

Wie auch der Niederländer Flekken, der auch in Durchgang zwei mehrfach seine Klasse bewies, etwa gegen Nkunku (50.), gestern lange ein glückloser Aktivposten in der RB-Offensive. Silva blieb blass und musste später wie Forsberg das Feld räumen (61., für Mukiele und Szoboszlai). In der 69. Minute kam Olmo für den unter seinen Möglichkeiten bleibenden Kampl.

Giftig, aber fair

Nach anfänglichem Abtasten beider im 3-4-2-1-System agierenden Teams hatte die Partie spätestens jetzt die Intensität, die ein Pokalfight verdient. Hohe Laufbereitschaft auf beiden Seiten, giftige, aber faire Zweikämpfe. Es war richtig Druck auf dem Kessel. Zu wenig Druck brachte Orban hinter den Ball bei seinem Distanzschuss, der eine sichere Beute für den starken Flekken war (35.). Leipzig hatte jetzt Oberwasser, biss sich aber immer wieder am beherzten Breisgau-Bollwerk die Zähne aus und musste höllisch aufpassen. Die Konter über die linke Schokoladenseite der Schwarzwälder und den wieselflinken Sallai waren brandgefährlich.

Notbremse: Rot für Halstenberg

In der 57. Minute neigte sich dann die Waage in die Freiburger Richtung. Höler entwischte Halstenberg, der die Notbremse zog und Rot quittierte. Kurz danach vergab Sallai das 2:0. Er traf nur das Außennetz. Wieder war die RB-Dreierkette schlecht sortiert. Frenetisch angepeitscht von den Fans schnürte der Tabellensechste der abgelaufenen Bundesliga-Saison die dezimierten Leipziger in deren Hälfte ein. Grifo, per Freistoß und Distanzschuss, scheiterte jeweils knapp. Seltene Entlastungsangriffe der Sachsen verpufften, etwa in der 72. Minute, als Schlotterbeck Laimer mit einer Monstergrätsche stoppte.

Jetzt brodelte der RB-Block

Die Elf von Christian Streich wähnte sich auf der Siegerstraße – und dann fiel wie aus dem Nichts der Ausgleich. Ausgerechnet Nkunku, dem bis dahin nichts gelingen wollte, drückte einen immer länger werdenden Orban-Kopfball nach Laimer-Flanke über die Linie (76.). Jetzt brodelte der RB-Block. Alles wieder auf Null. Und Leipzig legte nach. Henrichs hatte das 2:1 auf dem Fuß, Flekken warf sich dazwischen. Olmo verfehlte die RB-Führung haarscharf (86.). Der Ausgleich pushte Leipzig. Freiburg war trotz Überzahl aus dem Takt und robbte sich in die Verlängerung.

Die Verschnaufpause tat dem SC gut. Der eingewechselte Nils Petersen setzte gleich zu Beginn einen Kopfball gegen den Pfosten (92.) und damit ein klares Zeichen in Richtung RB: Wir sind wieder da. Es blieb rassig und hochspannend. Nkunku schlitterte bei einem 1a-Konter nur um Zentimeter am 2:1 vorbei, auf der Gegenseite war der ebenfalls eingewechselte Haberer nah dran an der Führung.

Haberer scheitert am Pfosten

In der 103. Minute war es erneut Haberer, der dieses Mal am Pfosten scheiterte, Demirovic, der nächste Joker, verfehlte im Nachschuss das leere Tor. Das war eine Hundertprozentige. Coach Streich raufte sich die Haare. Erst recht, als Haberer in der 115. Minute mit einem satten Hammer abermals nur Aluminium traf. Die ganze RB-Bank sprang auf und forderte Elfmeter, als Höfler hart gegen Olmo einstieg, aber klar den Ball traf, wie auch der Videocheck des guten Schiedsrichters Sascha Stegemann ergab (117.). Grifo verzog in der 120. Minute aussichtsreich. Wahnsinn. Elfmeterschießen. Drama. Und der erste Pokaltitel für RB und seinen jungen Trainer Domenico Tedesco. Dann wurde es still. Wegen eines medizinsichen Notfalls verzögerte sich die Pokalübergabe. Um 23.23 Uhr vermeldete der Stadionsprecher, dass der Patient auf dem Weg ins Krankenhaus ist. Um 23.35 Uhr reckte RB-Kapitän Peter Gulacsi den Pott in den Nachthimmel.

Das Elfmeterschießen:

2:1 Leipzig, Nkunku

2:2 Freiburg, Petersen

3:2 Leipzig, Orban

Günter (Freiburg) verschießt

4:2 Leipzig, Olmo

4:3 Freiburg, Kevin Schlotterbeck

5:3 Leipzig, Henrichs

Demirovic (Freiburg) verschießt (Latte)

x