Sport „Die Waffe der Demokratie ist die Rhetorik“

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Die aktuelle Bildungsfahrt des Projekts „ZeiLe – Zeitung lesen macht Azubis fit“ hat die Teilnehmer in eine Plenarsitzung des Mainzer Landtags geführt.

Der Weg in den Plenarsaal führt vorbei an Skulpturen und Gemälden, unter strenger Bewachung der Museumsmitarbeiter. Seit knapp einem Jahr tagt der rheinland-pfälzische Landtag nun in der Steinhalle des Landesmuseums, während das Deutschhaus kernsaniert wird. Es geht um das Landeshaushaltsgesetz, und trotz des „eigentlich“ trockenen Themas hören die „ZeiLe“-Teilnehmer gebannt zu. Denn so eine Sitzung hat es in sich: Politiker am Rednerpult, die den Landtag während des Vortrags zu ihrer Bühne machen, Zwischenrufe von der Opposition, ein Kommen und Gehen von Abgeordneten. Vanessa Kopp ist Auszubildende in der Stadtverwaltung Landau und interessiert sich im anschließenden Abgeordnetengespräch für die Zwischenrufe: „Ist das normal? Das ist doch unhöflich“, sagt die Auszubildende. Die Ludwigshafenerin Marion Schneid, die für die CDU im Landtag sitzt, erklärt: „Das ist normal. Aber es ist für den Redner dennoch nicht ganz einfach, weil ihn das schon aus dem Konzept bringen kann.“ Eveline Lemke, zum Zeitpunkt des Gesprächs noch Abgeordnete bei den Grünen und mittlerweile Präsidentin der Karlshochschule in Karlsruhe, ergänzt: „Es geht im Plenum nicht um Nettsein oder um Anstand. Es ist oft tiefe Empörung, die die Abgeordneten zum Ausdruck bringen. Und das ist auch ein Abbild der Gesellschaft.“ Auch wenn es emotional wird, gilt es, Regeln einzuhalten. „Es gibt eine Liste mit Begriffen, die im Plenum nicht fallen dürfen. Sie dürfen zum Beispiel nicht Lügner sagen. Aber die Abgeordnete können sagen, du hast nicht die Wahrheit gesprochen“, erklärt Abgeordneter Steven Wink von der FDP. Fabian Kettenmann beschäftigt die Frage, warum die Gesellschaft nie geklärt hat, wohin sie in 50 oder 100 Jahren steuern will. Steven Wink versucht, eine Antwort zu finden: „Es ist eine Herausforderung als Politiker, viele Gespräche mit Bürgern und Interessenvertretern zu führen, und daraus herauszukristallisieren, was gewünscht ist.“ Eveline Lemke sieht die Verantwortung für die Zukunft bei der jungen Generation: „So eine Debatte kann nicht vom Zaun gebrochen werden. Das klappt nur, wenn der Leidensdruck da ist. Und hier geht es darum, dass bei den jungen Menschen irgendwann der Druck zu groß wird. Sie werden diese Debatte führen, nicht alte Leute.“ Erstaunt sind die Auszubildenden über die Redekraft der Politiker. „Die ziehen einen ja richtig in den Bann“, findet Vanessa Kopp. Die Abgeordneten erklären, dass diese Redekunst notwendig ist, um die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu gewinnen und zu halten. „Die Waffe der Demokratie ist die Rhetorik“, sagt Lemke. Und darin sind sich alle drei Abgeordneten einig: Erklären, aufklären, kritisches Hinterfragen sowie Meinungen nicht einfach hinnehmen sind absolut notwendig. Seit dieser Legislaturperiode sitzt die AfD im Landtag. Kaya Adolph interessiert, ob AfD-Wähler weniger gebildet sind. Dem tritt Lemke entgegen. Viele dieser Wähler fühlten sich abgehängt: „Wir müssen hingucken, wo wir es sonst nicht tun – bei den Abgehängten, die sich nicht wahrgenommen fühlen. Die Demokratie muss jeden erreichen, ganz gleich, wie gebildet man ist.“ Auszubildende folgender Unternehmen waren auf der Bildungsfahrt dabei: Kreiswohnungsverband Rhein-Pfalz, Gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, Rala GmbH & Co. KG, Stadler & Schaaf, Stadtverwaltung Landau, Stadtverwaltung Schifferstadt, Stadtwerke Schifferstadt, thyssenkrupp Metallcenter, VR Bank Mittelhaardt eG. Info —Im Projekt „ZeiLe – Zeitung lesen macht Azubis fit“ finanzieren die beteiligten Unternehmen den Teilnehmern elf Monate lang die Zeitung. Darüber hinaus haben die Auszubildenden die Möglichkeit, an Bildungsfahrten teilzunehmen. —Interessierte Unternehmen können sich für die nächste Projektrunde anmelden. Mehr Infos unter www.rheinpfalz.de/zeile.

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