Kommentar Handball-Nationalmannschaft – eine geschlossene Gesellschaft

Bundestrainer Alfred Gislason mit Philipp Weber.
Bundestrainer Alfred Gislason mit Philipp Weber.

Bundestrainer Alfred Gislason vertraut auf bewährte Kräfte. Verständlich!

Nach den Olympischen Spielen in Tokio 2021, die für die deutsche Nationalmannschaft im Viertelfinale nach einer klaren Niederlage gegen Ägypten endeten, gab es eine Neuausrichtung im Kader. Hendrik Pekeler, Uwe Gensheimer, Steffen Weinhold und Johannes Bitter erklärten ihren Rücktritt, Patrick Wiencek folgte ein gutes halbes Jahr später.

Tokio war also eine Zäsur. Bundestrainer Alfred Gislason begann ab da mit dem Neuaufbau. Nach den Olympischen Spielen im Sommer gab es keinen Schnitt, nur der sehr verdiente Kai Häfner beendete seine Laufbahn im Nationalteam. Die ersten Früchte seiner dreijährigen Aufbauarbeit erntete Alfred Gislason im August, als er mit seinem Team in Frankreich etwas überraschend die Silbermedaille holte. Der Weg dahin war mit exquisiten Gegnern gepflastert. Das Spiel gegen Frankreich im Viertelfinale würde im Fußball als „Jahrhundertspiel“ laufen, denn 13 Sekunden vor dem Abpfiff lag die deutsche Auswahl noch zwei Tore in Rückstand, schaffte den Ausgleich und warf den Mitfavoriten in der Verlängerung aus dem Turnier. Das war ein Spiel für die Geschichtsbücher.

Kein Neuling dabei

Alfred Gislason hat nun den ersten Kader für die nächsten Aufgaben bekannt gegeben. Die Gegner in der EM-Qualifikation heißen in Mannheim Schweiz und in Ankara Türkei. Dabei entpuppt sich das Team quasi als geschlossene Gesellschaft. Denn Gislason hat keinen Neuling berücksichtigt. Da das Aufgebot größer sein darf als während der Olympischen Spiele, kehren Franz Semper, Nils Lichtlein, Lukas Zerbe und Philipp Weber (Bild) zurück.

Philipp Weber? Dieser Name überrascht dann doch ein wenig. Richtig ist: Der Rückraumspieler zeigte zuletzt bei seinem Verein, dem SC Magdeburg, starke Leistungen, er nutzte seine Chance nach der Verletzung des in der vergangenen Saison herausragenden Schweden Felix Claar. Weber durfte wieder länger spielen – und überzeugte. In der Nationalmannschaft konnte Weber bei großen Turnieren jedoch ganz, ganz selten seine Leistungen abrufen. So kritisierte ihn Bundestrainer Alfred Gislason sogar öffentlich nach der WM in Polen im Januar 2023, indem er herausstellte: „Ich war mit ihm nicht zufrieden.“ Weber musste notgedrungen als Spielmacher agieren, die Rolle als halblinker Rückraumspieler scheint ihm besser zu liegen. Weber kommt in der Nationalmannschaft zum Zuge, weil Julian Köster vom VfL Gummersbach noch verletzt ist.

Vertrauen verdient

Platz zwei bei den Olympischen Spielen – warum sollte Alfred Gislason auch viel wechseln? Die Spieler, die sich in Lille und Paris so prächtig schlugen, haben das Vertrauen verdient. Es tut sich etwas. Auf dem linken Flügel hat sich in dieser Saison der Berliner Tim Freihöfer in den Vordergrund gespielt, Leif Tissier macht es als Regisseur des HSV Hamburg schon einige Zeit gut. Und für den Aufschwung des TBV Lemgo steht auch Rückraumspieler Tim Suton. 2017 debütierte er im Nationalteam.

Bei dem Vorhaben, die jüngsten Leistungen zu bestätigen, hat Alfred Gislason jede Menge Auswahl an guten Spielern. Regisseur Juri Knorr von den Rhein-Neckar Löwen (Daumenbruch) fehlt zunächst. Für ihn wurde am Sonntag Rechtsaußen Timo Kastening von der MT Melsungen nachnominiert. Nach schwächeren Leistungen bei der Heim-EM war er bei den Olympischen Spielen außen vor. Jetzt bekommt er eine neue Chance.

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