Kommentar Neuer, Gündogan und die anderen treten zurück: Ein kluger Zeitpunkt

Trat zur richtigen zeit aus der Nationalmannschaft zurück: Manuel Neuer.
Trat zur richtigen zeit aus der Nationalmannschaft zurück: Manuel Neuer.

Deutsche Fußballhelden verlassen die große Bühne. Sie gehen als Gewinner, weil der Zeitpunkt passt. Andere müssen jetzt die Lücken füllen.

Es war in der langen Geschichte der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nicht allen vergönnt, auch nicht jedem verdienten Spieler, ein würdevolles Ende zu finden. Vor diesem Hintergrund gebührt Ilkay Gündogan, Thomas Müller und Manuel Neuer ein großes Lob, denn ihr Rückzug aus der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes war selbstbestimmt, klug und erfolgte zu einem guten Zeitpunkt. Glückwunsch dazu.

Singt die Hymne künftig nicht mehr auf dem Fußballplatz: Ilkay Gündogan.
Singt die Hymne künftig nicht mehr auf dem Fußballplatz: Ilkay Gündogan.

Die Erinnerungen an die Europameisterschaft im eigenen Land sind noch frisch, die Begeisterung der Fans weiterhin spürbar. Die Menschen in der Republik sind dankbar für den Sommer, auch wenn er nicht mit einer Titelfeier endete. Das ist ein guter Moment, um seinen Rücktritt zu erklären, weil der letzte Eindruck in den meisten Fällen haften bleibt. Gündogan, Müller, Neuer und Toni Kroos (der sein Ende schon vor dem Turnierstart verkündet hatte) werden künftig die Fußballheroen sein, die an der stimmungsvollen Heim-EM beteiligt waren.

Drei Heroen von Rio de Janeiro

Das wird sich in den Gedanken der Fans mit den Meriten vermischen, die alle für den deutschen Fußball erworben haben. Müller, Neuer und Kroos waren entscheidende Figuren auf dem Weg zum Gewinn der Weltmeisterschaft vor zehn Jahren. Gündogan hätte den WM-Pokal in Rio de Janeiro ebenfalls in die Höhe gestreckt, wenn er sich nicht zuvor verletzt hätte. Alle haben die Nationalmannschaft über mehr als eine Dekade geprägt, auch wenn nicht jeder zu jeder Zeit die verdiente Anerkennung erhalten hat.

Fortan Fußball-Pensionär: Toni Kroos.
Fortan Fußball-Pensionär: Toni Kroos.

Weil sich die Stimmungslage durch die Europameisterschaft vor allem für Gündogan und Kroos aufgehellt hat, gehen jetzt alle vier gemeinsam durch den Haupteingang. Auch wenn Spanien den deutschen EM-Traum im Sommer im Viertelfinale beendete, verlassen Kroos & Co. die große Bühne als Gewinner.

Schlau ist der Entschluss von Müller und Neuer zudem, weil nicht gesichert ist, ob Julian Nagelsmann sie künftig berücksichtigt hätte. Möglicherweise hat der Bundestrainer den Veteranen zu verstehen gegeben, dass er fortan auf andere, jüngere Akteure setzen wird. Vielleicht haben es die Spieler nur geahnt – in jedem Fall haben sie sich durch den freiwilligen Rückzug die Deutungshoheit bewahrt, die Karriere für den DFB aus eigenem Antrieb beendet zu haben.

Ist jetzt nur noch beim FC Bayern ein Schelm: Thomas Müller.
Ist jetzt nur noch beim FC Bayern ein Schelm: Thomas Müller.

Die Demission der etablierten Kräfte schafft Raum für Neues – auf und abseits des Feldes. Nicht nur auf dem Platz müssen Gündogan, Neuer, Kroos und ein bisschen auch Müller ersetzt werden, sondern auch daneben. Gündogan war Kapitän, Neuer sein Vorgänger, Kroos der Chef und Müllers Worte hatten ohnehin Gewicht. Die Hierarchie innerhalb der Nationalmannschaft wird sich neu (er)finden müssen, was Chancen und Risiken birgt. Die während der EM vielfach beschworene Harmonie innerhalb des Teams kann nur erhalten bleiben, wenn in der neuen Zusammensetzung jeder seine Rolle findet und akzeptiert. Es müssen sich andere Spieler finden, die intern die Richtung vorgeben – und von der Gruppe akzeptiert werden.

Künftig auf der Couch?

Das wird eine spannende Entwicklung sein, denn in den kommenden Monaten wird es für Bundestrainer Nagelsmann kein Automatismus bleiben, alle Akteure hinter einer Zielsetzung zu vereinen. Mit der Aussicht auf ein Heimturnier mit der entsprechenden Euphorie war der ein oder andere Profi eher bereit, eigene Ansprüche hintanzustellen. Teamplayer zu sein, war opportun. Ob das künftig so sein wird, bleibt abzuwarten.

Die Helden der jüngeren Vergangenheit werden sich die Taten ihrer Nachfolger aus der Entfernung anschauen, bei den nächsten Länderspielen im September gegen Ungarn und in den Niederlanden möglicherweise aus dem Fernsehsessel.

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