Sport Olympia-Tagebuch: Die Spiele der Mülleimer

So, jetzt erst alle mal weghören, im Sinne von überlesen. Guten Morgen Liebling, ein Hoch auf dich und mich. Danke, danke, danke für alles. Ein Schlückchen Forster Kirchenstück auf dich und auf mich. Jetzt wieder für alle: Irgendwie sind meine Frau Christine und ich darin geübt, unseren Hochzeitstag nicht zusammen zu feiern. Immer ist was: Olympia, Leichtathletik-WM oder EM. Und jetzt der 25.! Ich kann mir dafür eigentlich keinen schöneren Ort als Rio vorstellen – grins. Caipi und so. Aber alleine? Ein paar Tage noch, dann treffen wir uns ja auf unserem Rückflug in Lissabon, wohin Christine und Gaby Kunz kommen. Wir freuen uns. Gerade kommt Bernhard, unser Fotograf, im Pressezentrum um die Ecke. Er strahlt wieder, hatte sich bei einer Frau Doktorin Tabletten verschreiben lassen und schwärmt von Usain Bolts triumphalem Lauf. Ich war ja nicht dort. Es war es viel praktikabler, nach dem Turnen, statt umständlich und zeitraubend ins Olympiastadion, zum Tischtennis nebenan zu fahren. Zum anderen spielte ja „unsere“ Petrissa Solja um den Einzug ins Teamfinale. Aus Journalistensicht: Bolt kann jeder! Aber Solja? Bolts Auftritt dauerte 9,81 Sekunden, der von Solja und Co. exakt vier nervenaufreibende Stunden. Ich habe nicht bereut, diese knisternde Spannung zu erleben. Und die Interviews mit dem Trio und Bundestrainerin Jie Schöpp, die sich in Freudentränen auflösten, in trauter Runde von sieben deutschen Journalisten schon gar nicht. Es hat sich längst alles eingespielt. Wir alle kennen nun unsere Wege. Kaum noch Schlangen vor den Schleusen, weil wir uns alle zwangsläufig verteilen. Meine Jeans habe ich in die Wäsche gegeben, kurze Hosen sind angesagt, so gut ist das Wetter. Was mir eindeutig fehlt, ist das Grün im Olympiapark. Keine Bäume, kein Rasen. Zwar haben die Organisatoren Rollrasen verlegt, aber nie bewässert. Alles ist ausgetrocknet. Genau neun Sportstätten und das MPC liegen in diesem „Park“, die ständig von Journalistenbussen auf einem Rundkurs bedient werden. Ein einziges Mal stehen da die Olympischen Ringe, und die sind auf der Rückseite sogar nur weiß. Das ist, im Vergleich zu London oder Sydney, oder wenn ich an den Olympiapark von München denke, nichts. Auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen südamerikanischen Lebensweise. Das hier sind die Spiele der Mülleimer und der Polizisten. Wenngleich ich deutlich sagen muss: Es sind Menschen, jeder einzelne für sich – der eine mehr, der andere weniger, – die Müll produzieren und Polizistenpräsenz provozieren und auch brauchen. Also müssen wir das auch hinnehmen. Nur frage ich mich, ob Horden von Menschen direkt auf einem Olympiagelände den Müll sortieren müssen und ich jeden Tag in zig Maschinengewehre schauen muss. Eine andere Sache, die Gesprächsbedarf erfordert, ist das Zuschaueraufkommen. Pauschalisieren lässt sich aber auch hier nichts. Die Stimmung beim Handball, beim Turnen, beim Judo, also auch dort, wo Brasilianer eine Rolle spielen, ist großartig, es gibt hier schon ein Expertenpublikum. Nur halbleere Stadien in anderen Sportarten – das sieht halt nicht gut aus. Bei Usain Bolts Goldlauf aber passte keine Maus mehr ins Stadion.

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